27 Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. 28 Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. 29 Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. (Johannes 10,27-29)
Jesus hat diese Worte beim Tempelweihfest im Dezember 29 gesprochen. Die jüdischen Führer haben ihn aufgefordert, klar zu sagen, ob er der Christus, der Messias sei (Johannes 10,24). Jesus verwies auf seine Werke, die für ihn Zeugnis ablegen (Vers 25) und auf ihren Unglauben, der damit zu tun hatte, dass sie nicht zu den „Schafen“ Jesu gehörten (Vers 26). Wenn Jesus von seinen „Schafen“ und damit indirekt von sich als dem Hirten sprach, wies er dadurch auch auf seinen Anspruch, der Messias zu sein, hin. Ezechiel hatte den Messias als den Hirten Israels verheißen.
Ich werde über sie einen einzigen Hirten einsetzen, der sie weiden wird, meinen Knecht David. Er ist es, der sie weiden wird. Er ist es, der für sie Hirt sein wird. (Ezechiel 34,23)
Ab Vers 27 spricht Jesus über seine Schafe, die – anders als die jüdischen Führer – auf seine Stimme hören. In Vers 28 spricht er davon, dass er seinen Schafen ewiges Leben geben wird. Damit geht er weit über das hinaus, was die Juden vom Messias erwarteten. Ewiges Leben kann nur Gott geben. Jesus ist also nicht nur der Hirte im Sinne des Messias, der die Herde Gottes weidet. In Ezechiel 34 spricht Gott auch von sich selbst als dem Hirten Israels.
11 Denn so spricht GOTT, der Herr: Siehe, ich selbst bin es, ich will nach meinen Schafen fragen und mich um sie kümmern. 12 Wie ein Hirt sich um seine Herde kümmert an dem Tag, an dem er inmitten seiner Schafe ist, die sich verirrt haben, so werde ich mich um meine Schafe kümmern und ich werde sie retten aus all den Orten, wohin sie sich am Tag des Gewölks und des Wolkendunkels zerstreut haben. (Ezechiel 34,11-12)
Jesus macht die Zusicherung, dass niemand seine Schafe aus seiner Hand entreißen wird. In Vers 29 sagt er dasselbe in ähnlicher Formulierung über seinen Vater. Niemand kann seine Schafe aus der Hand des Vaters reißen. Auch diese parallele Formulierung weist auf die Gottheit Jesu hin. Die Hand Jesu, aus der niemand seine Schafe entreißen wird, ist in Einheit mit der Hand des Vaters, aus der sie niemand entreißen kann.
Diesen Worten Jesu entnehmen Vertreter der Lehre „Einmal gerettet – immer gerettet“ und somit auch alle, die an die Prädestination glauben, dass es unmöglich ist, vom Glauben an Jesus abzufallen. Es gibt doch niemanden, der die Gläubigen aus der Hand Jesu und des Vaters reißen kann.
Die Worte Jesu stimmen auf jeden Fall. Gott ist stärker als alle seine Feinde. Niemand wird Gott seine Schafe oder seine Kinder entreißen können.
Das Wort ἁρπάζω / harpázō („entreißen“) lesen wir auch in Vers 12:
Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie.
Vor diesem Wolf wird Gott seine Kinder immer schützen.
Die Elberfelder Studienbibel schreibt zum Wort harpázō:
rauben, berauben, schnappen. Es bedeutet wörtl.: mit Gewalt an sich reißen, rauben im Unterschied zu kleptō, heimlich stehlen; ein offener Gewaltakt im Unterschied zu Betrug und Diebstahl. Obwohl harpázō das Rauben des Eigentums eines anderen bezeichnet, ist es nicht nur so gebraucht, sondern manchmal in der allgemeinen Bedeutung gewalttätig an sich reißen, wegschnappen, wegreißen, entreißen […]
Wer sein Leben Jesus anvertraut hat, wird von ihm und vom Vater beschützt. Kein Feind kann ihm das ewige Leben wegnehmen. Selbst in der ärgsten Verfolgung gibt Gott seinen Kindern die Kraft, ihm trotz Gefängnis, Folter und Tötung treu zu bleiben.
Jesus spricht in diesem Zusammenhang aber nicht über die Freiheit, die seinen Jüngern durch den Glauben nicht genommen wird. Ein Jünger Jesu hat immer noch die Freiheit, sich aus eigener Entscheidung gegen den einmal eingeschlagenen Weg zu entscheiden.
Darum gibt es im Neuen Testament so viele Ermahnungen und Ermunterungen zur Treue im Glauben, zum Halten der Gebote, zum Kampf gegen die Sünde.
4 Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. 6 Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. (Johannes 15,4-6)
Jesus spricht von der Möglichkeit, nicht in ihm zu bleiben. Der Feind kann keinen Jünger der Hand Jesu entreißen. Aber der Jünger kann von selber gehen.
Die Beziehung zu Gott ist immer eine Beziehung aus Liebe heraus. Liebe gibt es nur mit Freiheit. Darum akzeptiert es Gott, wenn jemand, der sich auf den Weg der Nachfolge Jesu begeben hat, diesen aus freien Stücken auch wieder verlässt. Gott zwingt niemanden zu seinem Glück, weil es unter Zwang kein Glück geben kann.
Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben. (aus Offenbarung 2,10)