7 Denn drei sind es, die Zeugnis ablegen: 8 der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei sind eins. (1 Johannes 5,7-8)
Dieser Text hat in späterer Zeit eine Erweiterung erfahren. In der Übersetzung von Allioli-Arndt 1914 lautet er so:
7 Denn drei sind, welche Zeugnis geben im Himmel: Der Vater, das Wort und der Heilige Geist; und diese drei sind eines. 8 Und drei sind, welche Zeugnis geben auf Erden: Der Geist und das Wasser, und das Blut; und diese drei sind eines.
Der herausgehobene Text wird in Fachkreisen „Comma Johanneum“ genannt, d. h. „Johanneischer Abschnitt“. Er findet sich in den meisten heutigen Übersetzungen nicht mehr, bestenfalls in einem Vermerk in der Fußnote. Nur Ausgaben, die auf dem „Textus Receptus“, einer griechischen Ausgabe des Neuen Testaments aus dem 16. Jahrhundert, beruhen wie die Schlachter 2000, haben diese Worte auch im Fließtext.
Muslime verweisen manchmal auf diese Unterschiede in den Bibeltexten, sehen darin eine Textmanipulation und einen Beweis für die Verfälschung der Bibel. In einem Aufwaschen kann man dann auch gleich gegen die Lehre der Dreieinigkeit vorgehen, die durch diesen Texteinschub bezeugt wird.
Anders als im Islam gibt es im christlichen Bereich ein Bewusstsein für Unterschiede zwischen verschiedenen Manuskripten und ein Bemühen, dem ursprünglichen Text durch Vergleiche der unterschiedlichen Lesarten möglichst nahezukommen. Unter Muslimen herrscht in der Regel die Auffassung vor, dass der heutige Koran exakt derselbe wie im 7. Jahrhundert sei. Dabei werden aber nur die Augen vor den Fakten verschlossen. Auch die alten Koranmanuskripte stimmen nicht miteinander überein, nicht einmal alle modernen arabischen Ausgaben sind identisch. Doch diese Tatsachen werden möglichst nicht angesprochen. Es sind vor allem nichtmuslimische Islamwissenschaftler, die sich mit den Unterschieden zwischen den Koranmanuskripten beschäftigen.
Was das „Comma Johanneum“ betrifft, so fehlt es in allen griechischen Handschriften bis zum 9. Jahrhundert. Nach Bruce Metzger1 gibt es insgesamt nur acht griechische Handschriften, die es enthalten. Vier von diesen Handschriften haben es als eine Textvariante vermerkt. Sieben von den acht Handschriften stammen frühestens aus dem 16. Jahrhundert. Eine Handschrift stammt aus dem 10. Jahrhundert. Zu dieser Handschrift wurde dieser Zusatz später als Textvariante hinzugefügt. Metzger schreibt nicht, aus welcher Zeit dieser Zusatz stammt. Alle früheren griechischen Handschriften enthalten diesen Text nicht.
Kein einziger griechischer Kirchenvater hat diesen Abschnitt zitiert, obwohl er in den Diskussionen um die Lehre der Dreieinigkeit sehr hilfreich gewesen wäre. Der früheste griechische Text, in dem das Comma Johanneum vorkommt, ist die griechische Übersetzung der Konzilsakten des Vierten Laterankonzils von 1215.
Alle antiken Übersetzungen (ins Syrische, Koptische, Armenische, Äthiopische, Arabische, Altkirchenslawische) außer ins Lateinische enthalten diese Worte ebenso nicht. Auch in der altlateinischen Übersetzung, wie sie von Tertullian, Cyprian und Augustinus bezeugt wird, fehlt dieser Abschnitt, wie auch in der auf Hieronymus (348/9-420) zurückgehenden Ausgabe der Vulgata im Codex Fuldensis (541-546).
Laut Metzger wurde der Abschnitt erstmals im 4. Jahrhundert in einem Werk namens „Liber Apologeticus“ als Teil des 1. Johannesbriefs zitiert. Es wird vermutet, dass eine Randglosse beim Abschreiben in den Text eingedrungen ist. Tatsächlich wurde der ursprüngliche Text mit den drei Zeugen Geist, Wasser und Blut damals von manchen trinitarisch verstanden. So heißt es bei Cyprian von Karthago (200-258):
Und wiederum, steht über den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist geschrieben:“Und diese drei sind eins!“ (Cyprian von Karthago, De catholicae ecclesiae unitate, 1,6)
Der Herausgeber vermerkt dazu in der Fußnote: keine Bezeugung des sog. Komma Johanneum. Vermutlich wurde das Wasser auf den Vater und das Blut auf den Sohn bezogen. Meines Erachtens ist das nicht das korrekte Verständnis dieser Stelle. Nach Vers 6 geht es um das Zeugnis für Jesus, der durch Wasser (der Taufe) und Blut (beim Tod) gekommen ist.
Eine Randnotiz konnte von einem Abschreiber als zum Text gehörig verstanden werden, und so hat sich dieser Einschub durch wiederholtes Abschreiben unter den lateinischen Texten mehr und mehr verbreitet und gelangte so auch in die offiziellen Ausgaben der Vulgata.
Durch eine griechische Handschrift aus dem 16. Jahrhundert kam das Comma Johanneum auch in das von Erasmus von Rotterdam herausgegebene gedruckte griechische Neue Testament und somit auch in protestantische Übersetzungen.
Die katholische Bibel von Allioli-Arndt (1914) merkt in der Fußnote an:
Indes, wenn auch unsere griechischen Handschriften aus nicht sicher festzustellenden Ursachen die übrigen Worte nicht haben, welche die Vulgata bietet und unser Text in der Vulgataform bei den Vätern nur bei dem heil. Cyprian und alsdann erst bei dem Bischofe Vigilius am Ende des 5. Jahrhunderts erscheint, bleibt dem katholischen Dogmatiker das Recht, sich für das Dogma der göttlichen Trinität auf die Stelle der Vulgata zu berufen. Denn die Vulgata hat diesen Text, und diese ist auf dem Konzil von Trient (Sitz 4) in rebus fidei et morum, in den Dingen, welche Glauben und Sitten betreffen, für authentisch erklärt worden, mitsamt allen ihren Teilen.
Weil das Konzil von Trient die Vulgata als authentisch erklärt hat, dürfen sich katholische Dogmatiker zur Begründung der Trinität auch auf diese Stelle berufen. Sie tun das in der Regel heute aber nicht mehr.
Beim Comma Johanneum handelt es sich um einen offensichtlichen Einschub, der nicht zum Text des 1. Johannesbriefes gehört, auch wenn er dogmatisch korrekt ist.
Zur Begründung der Lehre der Dreieinigkeit ist dieser Einschub auch nicht nötig. Die Grundsäulen dieser Lehre, die Einheit und Einzigkeit Gottes, die göttliche Natur Jesu und die Personhaftigkeit des Heiligen Geistes sind im Neuen Testament klar bezeugt. Es gibt auch zahlreiche trinitarische Formulierungen in verschiedenen neutestamentlichen Texten, insbesondere beim Auftrag des auferstandenen Herrn Jesus an seine Jünger, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen (Matthäus 28,19).
Die Lehre der Dreieinigkeit ist biblisch gut begründet und hängt nicht von einer einzigen Stelle ab.
Trotz aller Fehlerhaftigkeit von Menschen, die in früheren Jahrhunderten die Bibel durch Abschreiben verbreitet haben, hat Gott dafür gesorgt, dass seine Lehre weiterhin klar erkennbar ist. Spätere Zusätze zum Text können erkannt und entfernt werden. Die Wahrheit Gottes bleibt erhalten.
- Bruce M. Metzger, A Textual Commentary on The Greek New Testament, 2. Auflage, Stuttgart 1994, S. 647-648. ↩