Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein. (aus Markus 7,19)
In der Thora war festgelegt, welche Tiere den Israeliten zum Genuss erlaubt waren und welche nicht. Man findet diese Gesetze in Levitikus 11 und Deuteronomium 14,3-20. Christen sehen sich nicht an diese Gesetze gebunden. Deswegen lautet ein Standardvorwurf von Muslimen gegen Christen, dass sie Schweinefleisch konsumieren.
Jesus war Jude und hat als solcher die Thora einschließlich der Speisevorschriften befolgt. Was nehmen sich Christen heraus, wenn sie in diesem Punkt Jesus nicht folgen?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass das alttestamentliche Gesetz in Jesus seine Erfüllung und Vollendung gefunden hat. Viele Gebote waren eine Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers. Die Gebote, die die Ethik betreffen, haben durch Jesus eine Vertiefung erfahren, die wir vor allem in der Bergpredigt (Matthäus 5-7) lesen können. Jesus wirkt in seinen Nachfolgern, sodass sie in seiner Kraft befähigt werden, diese neue, von ihm gelehrte Ethik in der Praxis zu leben.
In der Bergpredigt sagte Jesus auch:
Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen. (Matthäus 5,8)
Diese Reinheit des Herzens äußert sich in dem, was wir denken, was wir reden, was wir tun. Die im Alten Testament verlangte Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren war eine Vorbereitung auf das durch den Messias geschenkte Leben mit einem reinen Herzen.
Es gibt kein Wort, in dem Jesus ausdrücklich sagt, dass die Speisegebote der Thora nicht mehr gelten. Aber in Markus 7,1-23 (Parallele: Matthäus 15,1-20) finden wir sehr grundlegende Worte Jesu über die Reinheit, die bereits der Evangelist Markus so verstanden hat, dass Jesus dadurch alle Speisen für rein erklärt hat.
Einige Pharisäer und Schriftgelehrte, die von Jerusalem nach Galiläa gekommen waren (wohl, um Jesus zu beobachten), fragten Jesus, warum seine Jünger sich vor dem Essen nicht die Hände wuschen. Da ging es weniger um Hygiene als um die genaue Befolgung der „Überlieferung der Alten“. Die erste Antwort Jesu betraf die Heuchelei seiner Gegner, für die die Traditionen wichtiger waren als die Gebote Gottes. So konnte man nach ihrer Lehre seinen Eltern die notwendige materielle Unterstützung verweigern, indem man diese pro forma zum Weihegeschenk erklärt, danach aber für sich selbst verwendet. Das Gebot, die Eltern zu ehren, wurde durch eine unmoralische Überlieferung ausgehebelt.
Danach sagte Jesus den Menschen, was jemanden wirklich unrein macht:
Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. (Markus 7,15)
Auf Nachfrage erläuterte er seinen Jüngern dieses Wort noch näher:
18 Er antwortete ihnen: Begreift auch ihr nicht? Versteht ihr nicht, dass das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann? 19 Denn es gelangt ja nicht in sein Herz, sondern in den Magen und wird wieder ausgeschieden. Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein. 20 Weiter sagte er: Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. 21 Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, 22 Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft. 23 All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein. (Markus 7,18-23)
Es ist offensichtlich, dass es bei diesen Worten Jesu nicht mehr nur um das unterlassene Händewaschen ging. Auch wenn die Hände schmutzig sind, gelangt kaum etwas von dem Schmutz in den Mund und in den Magen. Das Essen ernährt den Körper, aber kommt nicht in sein Herz. Mit dem Herz ist hier natürlich nicht das Organ des Körpers gemeint, sondern das Innere des Menschen, in dem er seine Gedanken formt und seine Entscheidungen trifft.
Die Unreinheit kommt aus diesem Inneren, aus seinem Herzen. Böse Gedanken und Gesinnungen kommen von dort. Sie führen zu bösen Worten und bösen Taten. Das macht den Menschen unrein. Deswegen ist es notwendig, sein Herz von Gott reinigen zu lassen, sein Denken und Tun zu erneuern.
Am Ende von Vers 19 steht ein kurzer Satz, der kein Wort Jesu ist. In der Einheitsübersetzung lautet er:
Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein.
Im Griechischen steht wörtlich:
[…] reinigend alle Speisen.
Das wird von manchen Übersetzern anders verstanden:
Denn es kommt nicht in sein Herz, sondern in den Bauch und wird auf dem natürlichen Weg, der alle Speisen reinigt, ausgeschieden. (Schlachter 2000)
[…] weil es ihm nicht ins Herz hineingeht, sondern in den Leib und auf dem natürlichen Wege, der alle Speisen reinigt, wieder ausgeschieden wird? (Menge)
Der „natürliche Weg“ ist eine Umschreibung für das griechische Wort ἀφεδρών / aphedrōn, das „Abort, Toilette“ bedeutet. Wollte Jesus wirklich sagen, dass das Essen durch das Ausscheiden auf der Toilette gereinigt wird?
Da ist die Erklärung, dass durch den Schluss von Vers 19 der Evangelist sein Verständnis der Worte Jesu zum Ausdruck bringen wollte, näherliegend. So wurde das auch schon in der Antike verstanden. Johannes Chrysostomus schreibt in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium 51,4:
Markus berichtet, der Herr habe jene Worte gesprochen, um die Speisen für rein zu erklären.
Markus, der sein Evangelium vor allem von Petrus empfangen hat, gibt hier wohl auch das Verständnis des Apostels wieder.
Es ist klar, dass Petrus und die anderen Jünger das in der Situation noch nicht auf die Speisegebote bezogen haben. Als Petrus einige Jahre später in einer Vision dazu aufgefordert wird, unreine Tiere zu essen, wodurch ihm Gott zeigen wollte, dass er keine Scheu haben sollte, zum Nichtjuden Kornelius zu gehen, war die erste Reaktion des Apostels:
Petrus aber antwortete: Niemals, Herr! Noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen. (Apostelgeschichte 10,14)
Doch Gottes Antwort war:
Da erging die Stimme ein zweites Mal an ihn: Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein! (Apostelgeschichte 10,15)
Erst durch diese und andere Erfahrungen hat Petrus den Sinn der Worte Jesu tiefer verstanden. So hat er erkannt, dass schon Jesus mit seinen Worten in Markus 7 die Speisen für rein erklärt hat. Diese Erkenntnis hat er auch an Markus weitergegeben.
Überdies lehrt auch der Koran, dass Jesus manches Verbotene erlaubt hat. Der koranische Jesus sagt in Sure 3,50:
Und das zu bestätigen, was von der Thora vor mir (offenbart) war, und um euch einiges von dem zu erlauben, was euch verboten war. Und ich bin mit einem Zeichen von eurem Herrn zu euch gekommen; so fürchtet Allah und gehorcht mir!
Muslime sollten auch bedenken, dass auch sie keineswegs die mosaischen Speisegebote einhalten. Die Liste unreiner Tiere wurde im Islam im Wesentlichen auf das Schwein reduziert. Der Koran erlaubt das in der Thora (Levitikus 11,4) verbotene Kamelfleisch (Sure 6,142-144). Der Überlieferung zufolge soll auch Mohammed Kamelfleisch verzehrt haben (z. B.: Buchari 2485).
Wer Jesus nachfolgt, lässt sein Herz und sein ganzes Leben von Gott reinigen. Er hat die Freiheit, zu essen, was Gott zur Nahrung des Menschen geschaffen hat. Er tut es mit Mäßigkeit und in Dankbarkeit.
4 Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird; 5 es wird geheiligt durch Gottes Wort und durch das Gebet. (1 Timotheus 4,4-5)