Nehemias Schrecken und Gottvertrauen

Der Jude Nehemia war Mundschenk am Hof des persischen Königs Artaxerxes in der Stadt Susa. Er wirkte in der Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Seit der Rückkehr der ersten Exilierten von Babylon nach Jerusalem war schon fast ein Jahrhundert vergangen. Im Dezember 446 v. Chr. erhielt er von einem seiner Brüder aus Jerusalem die Nachricht, dass die Stadt immer noch in großer Not und Schmach war, die Mauern der Stadt noch immer in Ruinen lagen (Nehemia 1,1-3).

Nehemia war erschüttert, weinte, trauerte und fastete und brachte sein Anliegen im Gebet vor Gott. Er sah auch, dass er es nicht dabei belassen sollte, traurig zu sein, sondern dass er die Sache vor seinen Herrn, den König, bringen sollte. Er bat daher Gott auch darum, dass er ihn Erbarmen finden lassen soll bei „diesem Mann“ (Nehemia 1,4-11). Im Gebet nannte Nehemia den mächtigen Perserkönig „diesen Mann“. Das bedeutete nicht, dass er den König gering achtete. Aber im Gebet vor Gott war klar, dass alleine Gott der wirkliche König ist, dem alle Ehre und Herrlichkeit gebührt.

Vier Monate später ergab sich für Nehemia die Möglichkeit, sein Anliegen vor Artaxerxes zu bringen.

1 Es geschah im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artaxerxes: Als Wein vor ihm stand, nahm ich den Wein und reichte ihn dem König. Nie zuvor hatte der König mein Aussehen schlecht gefunden; 2 jetzt aber fragte er mich: Warum siehst du so schlecht aus? Du bist doch nicht etwa krank? Nein, du hast gewiss Kummer. Ich erschrak sehr; 3 dann sagte ich zum König: Der König möge ewig leben. Wie sollte ich nicht schlecht aussehen? Die Stadt, in der die Gräber meiner Väter sind, liegt in Trümmern und ihre Tore sind vom Feuer verzehrt. 4 Der König erwiderte: Was möchtest du also? Da betete ich zum Gott des Himmels; 5 dann sagte ich zum König: Wenn du, König, es für gut findest und wenn du deinem Knecht vertraust, so sende mich nach Juda in die Stadt, in der die Gräber meiner Väter sind, damit ich sie wieder aufbaue. 6 Darauf fragte mich der König, während die Königin neben ihm saß: Wie lang soll deine Reise dauern? Wann kommst du zurück? Ich nannte ihm eine bestimmte Zeit; der König war einverstanden und ließ mich ziehen. (Nehemia 2,1-6)

Die Bedrücktheit Nehemias war offenbar auch für den König erkennbar. Doch warum ist er so sehr erschrocken?

Einerseits konnte Nehemia dankbar sein, dass er nun die Möglichkeit hatte, sein Anliegen dem König zu unterbreiten. Andererseits wusste Nehemia auch, dass sich Artaxerxes schon einmal ganz klar gegen den Wiederaufbau der Stadtmauern Jerusalems ausgesprochen hatte.

Esra 4,7-23 dokumentiert die Korrespondenz zwischen einigen Vertretern der nichtjüdischen Bevölkerung, die von den Assyrern „in den Städten von Samaria und im übrigen Gebiet jenseits des (Euphrat-)Stroms“ angesiedelt worden waren. Sie klagten über die Juden:

Sie bauen die aufrührerische und böse Stadt wieder auf; sie stellen die Mauern wieder her und sichern die Fundamente. 13 Dem König sei nun gemeldet: Wenn diese Stadt wieder aufgebaut ist und ihre Mauern vollendet sind, dann entrichten die Juden keine Steuern, Abgaben und Zölle mehr. So bringt sie den Königen schließlich nur Schaden. (Esra 4,12b-13)

Die Antwort des Königs war eindeutig:

17 Der König schickte folgende Erwiderung: An den Befehlshaber Rehum und den Schreiber Schimschai sowie ihre übrigen Genossen, die in Samaria und dem übrigen Gebiet jenseits des Stroms wohnen, meinen Gruß. 18 Das Schriftstück, das ihr an uns gesandt habt, ist mir Wort für Wort vorgelesen worden. 19 Daraufhin befahl ich nachzuforschen und man fand: Diese Stadt hat sich von jeher gegen die Könige erhoben und in ihr gab es immer wieder Aufruhr und Empörung. 20 Mächtige Könige geboten über Jerusalem und herrschten über das ganze Gebiet jenseits des Stroms und ihnen entrichtete man Steuern, Abgaben und Zölle. 21 Gebt also Befehl, dass man jenen Männern ihr Tun verwehrt! Diese Stadt darf nicht wieder aufgebaut werden, bis weitere Anordnungen von mir ergehen. 22 Hütet euch, in dieser Sache nachlässig zu sein; sonst könnte großer Schaden zum Nachteil der Könige entstehen. (Esra 4,17-22)

Die Obersten der nichtjüdischen Bevölkerung handelten auch entsprechend:

Sobald das Schreiben des Königs Artaxerxes vor Rehum und dem Schreiber Schimschai sowie ihren Amtsgenossen verlesen worden war, gingen diese eilends nach Jerusalem zu den Juden und hinderten sie mit Waffengewalt an ihrer Arbeit. (Esra 4,23)

Es gibt keine Datierung dieses Schriftwechsels und der darauffolgenden Beendigung des Mauerbaus. Es war wohl in der Anfangszeit der Regierung Artaxerxes I., die 465 begann.

Wenn wir bedenken, dass Nehemia über diese frühere Entscheidung des Königs Bescheid wusste, wird es verständlich, dass er erschrocken war. Nehemia ließ sich aber nicht von der Panik leiten, sondern nützte die Gelegenheit und nannte Artaxerxes den Grund für sein schlechtes Aussehen.

Als der König seinen Mundschenk nach seinem Wunsch fragte, hielt er zuerst inne und betete zu Gott. Erst dann legte er ihm seinen Wunsch nicht als Forderung, sondern mit bedachten Worten dar. Er hatte die innere Ruhe, die notwendig war, um seine Bitte in der richtigen Weise vorzubringen.

Nehemia wusste, dass alles an Gott lag. Darum hat er zuerst gebetet und erst dann gesprochen. So gab er Gott die Möglichkeit, ihn die richtigen Worte sagen zu lassen. Es war nicht mehr die Trauer über Jerusalem oder der Schrecken, der bei den ersten Worten des Königs über ihn gekommen war, sondern das Vertrauen in Gottes Führung, das ihn bestimmte. So konnte er in der Situation so sprechen, dass ihm der König seine Bitte gewährte.

Wir dürfen annehmen, dass der König Nehemia schon seit einiger Zeit kannte und ihn als verlässlichen Menschen kennengelernt hatte, sodass er ihm auch in der Sache des Wiederaufbaus der Mauern Jerusalems vertraute. In der früheren Situation kannte er nur die Darstellung der Gegner der Juden und hat in ihrem Sinne entschieden. Nun aber konnte Artaxerxes von seinem Mundschenk erfahren, wie die Sache für die Juden aussah. Da Nehemia für ihn vertrauenswürdig war, erfüllte er dessen Bitte.

Nehemia war auch deswegen vertrauenswürdig, weil er kein Mensch war, dem es um seine eigene Position und seinen persönlichen Vorteil ging. Er vertraute Gott und war innerlich tief mit dem Volk Gottes verbunden. Er wollte das Beste für sein Volk, nicht für sich selbst. Darum konnte ihn Gott zum Besten seines Volkes verwenden.

6 Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist! 7 Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch! (1 Petrus 5,6-7)

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