Ein böser Geist Gottes?

14 Der Geist des HERRN war von Saul gewichen und ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn. 15 Da sagten die Diener Sauls zu ihm: Du siehst, ein böser Geist Gottes verstört dich. (1 Samuel 16,14-15)

Wenn Gott gut ist, wie kann er einen bösen Geist schicken? Gibt es überhaupt einen „bösen Geist Gottes“?

In Vers 14 steht, dass der Geist des HERRN von Saul gewichen war. Das war eine Folge seines Ungehorsams, von dem in Kapitel 15 die Rede ist.

22 Samuel aber sagte:
Hat der HERR an Brandopfern und Schlachtopfern das gleiche Gefallen wie am Gehorsam gegenüber der Stimme des HERRN? Wahrhaftig, Gehorsam ist besser als Opfer, Hinhören besser als das Fett von Widdern. 23 Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, wie Frevel mit Götzenbildern ist Auflehnung. Weil du das Wort des HERRN verworfen hast, verwirft er dich als König. (1 Samuel 15,22-23)

Der Geist Gottes, den Saul nach seiner Salbung zum König empfangen hatte, war von ihm gewichen. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass Gott nun stattdessen einen bösen Geist sandte.

Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm. (1 Johannes 1,5)

Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, vom Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung oder Verfinsterung gibt. (Jakobus 1,17)

Gott, der vollkommen gut ist, hat keinen bösen Geist, den er senden könnte.

Es gibt in 1 Samuel 16 zwei unterschiedliche Formulierungen. Die eine stammt vom Erzähler, der schreibt: „Ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn.“ Die Diener Sauls hingegen sagten: „Ein böser Geist Gottes verstört dich.“

„HERR“ steht für den Gottesnamen JHWH, weist also direkt auf den Gott Israels hin, von dem her der böse Geist gekommen ist. Die Diener sprachen von einem bösen Geist Elohims. אֱלהִים / ’älōhîm ist das Standardwort für Gott (eigentlich eine Pluralform), kann aber auch für ein machtvolles Wesen stehen. Es muss hier nicht ein böser Geist des einzigen Gottes gemeint sein, sondern die Diener Sauls könnten auch allgemeiner von einer bösen Geistmacht gesprochen haben, die über ihren Herrn gekommen ist.

Wenn von einem bösen Geist „von JHWH“ die Rede ist, dann bedeutet das, dass JHWH, der als einziger Gott über allem steht, auch zugelassen hat, dass das über den ungehorsamen Saul nun diese Züchtigung kommt. Es geschieht nichts ohne den Willen Gottes, was aber nicht heißt, dass Gott es direkt verursacht hat. Für מֵאֵ֥ת /mē’ēt schlägt das Wörterbuch von Gesenius „aus der Nähe, von der Seite jemandes weg“ vor. Das würde dafür sprechen, dass nicht Gott die direkte Ursache dieses „bösen Geistes“ ist. Er kam „von seiner Seite“.

Es fällt auf, dass die Diener Sauls einen nicht religiösen Therapievorschlag machen.

Darum möge unser Herr seinen Knechten, die vor ihm stehen, befehlen, einen Mann zu suchen, der die Leier zu spielen versteht. Sobald dich der böse Geist Gottes überfällt, soll er spielen; dann wird es dir wieder gut gehen. (1 Samuel 16,16)

So geschah es auch. Und die Therapie half zumindest in der jeweiligen Situation:

Sooft nun ein Geist Gottes Saul überfiel, nahm David die Leier und spielte darauf. Dann fühlte sich Saul erleichtert, es ging ihm wieder gut und der böse Geist wich von ihm. (1 Samuel 16,23)

Das spricht dafür, dass Saul nicht von einem Dämon geplagt wurde, sondern psychische Probleme hatte, die durch Musik verschwanden oder gelindert wurden.

Interessant ist, dass Martin Buber in seiner Übersetzung an dieser Stelle das Wort רוּחַ / rûach nicht mit „Geist“ übersetzt, sondern als ein substantiviertes Verb „Geisten“.

Als SEIN Geistbraus von Schaul hinweg gewichen war, begann ein böses Geisten von IHM aus ihn zu umgrausen. Schauls Diener sprachen zu ihm: Da dich ja denn ein böses Gottesgeisten umgraust, […] (1 Sam 16,14-15)

Außerhalb des Zusammenhangs mit Saul gibt es diese Übersetzung bei Buber nur in Richter 9,23:

Aber Gott sandte ein böses Geisten zwischen Abimelech und die Bürger von Sichem […]

Auch dort kann nicht gemein sein, dass Gott einen bösen Geist gesandt hat. Es kam zu einer Entfremdung zwischen dem Brudermörder Abimelech und den Leuten von Sichem, die ihn zum König gemacht hatten. Gott hat zugelassen, dass die Bosheit beider Seiten sie voneinander entfremdet hat.

So hat Gott auch zugelassen, dass die Bosheit des vermutlich auch vorher schon psychisch labilen Saul ihn stark belastet hat, was zu Tobsuchtsanfällen führte. Gott hatte mit Saul Großes vor.

Als Saul den ersten Schritt des Ungehorsams setzte und voreilig, ohne das Kommen Samuels abzuwarten, opferte, sagte ihm Samuel:

Du hast töricht gehandelt: Hättest du das Gebot bewahrt, das dir der HERR, dein Gott, gegeben hat, dann hätte er jetzt deine Herrschaft über Israel für immer gefestigt. 14 Nun aber wird deine Herrschaft keinen Bestand haben. Der HERR hat sich einen Mann nach seinem Herzen gesucht und ihn zum Fürsten seines Volkes gemacht. Denn du hast nicht bewahrt, was der HERR dir geboten hat. (1 Samuel 13,13-14)

Hätte Saul das Gebot Gottes bewahrt, hätte seine Herrschaft Bestand gehabt. Die Geschichte Israels wäre anders verlaufen. Dann wäre auch der Messias aus seiner Nachkommenschaft gekommen, da David ja nur aufgrund des Versagens Sauls König werden konnte. Doch dazu kam es aufgrund seines Ungehorsams nicht.

Gott sendet keinen bösen Geist zur Strafe. Aber es ist in seinem Willen, dass die Sünde des Menschen Konsequenzen hat. In Sauls Fall war es eine starke psychische Belastung mit Tobsuchtsanfällen, vor der ihn sein Gehorsam bewahrt hätte.

Gott will das Gute für jeden Menschen. Es ist die Sünde des Menschen, die dem Guten im Wege steht.

Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. (Deuteronomium 6,5)

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