Und auch einige von den Asiarchen, die seine Freunde waren, sandten zu ihm und baten ihn, sich nicht nach dem Theater zu begeben. (Apostelgeschichte 19,31 – Elberfelder)
In Apostelgeschichte 19,23-40 lesen wir über den Aufruhr der Silberschmiede von Ephesus.
Das von Paulus und seinen Mitarbeitern verkündete Evangelium fiel in Ephesus, der Metropole der römischen Provinz Asia, auf fruchtbaren Boden. Das führte dazu, dass die Silberschmiede, die Nachbildungen des dortigen Artemistempels herstellten, um ihr Geschäft fürchteten und die ganze Stadt in Aufruhr versetzten. Eine Menge stürmte ins Theater, das eine Kapazität von 22.000 bis 25.000 Sitzplätzen hatte, wobei sie auch Reisegefährten des Paulus mitschleppten.
Als Paulus sich ins Theater begeben wollte, wurde er nicht nur von den Jüngern zurückgehalten. Auch einige der „Asiarchen, die seine Freunde waren“, baten ihn, nicht dorthin zu gehen.
Wer waren diese Asiarchen, und wie ist diese Freundschaft zu beurteilen?
Die Elberfelder Bibel merkt dazu an:
Beamte, die für den Kaiserkult (göttliche Verehrung der röm. Kaiser) in der röm. Provinz Asia verantwortlich waren.
Der Wikipedia-Eintrag dazu vermutet das nur:
Ein Asiarch (griechisch Ἀσιάρχης, wörtlich „Herrscher von Asia“) übte eine herausgehobene Funktion in der römischen Provinz Asia aus, deren Natur allerdings nicht völlig klar ist. Vermutlich waren die Asiarchen die jährlichen Bevollmächtigten der bedeutendsten Städte der Provinz, die dem Provinziallandtag (koinon) vorstanden sowie die öffentlichen Spiele zu Ehren der Götter und der römischen Kaiser (Kaiserkult) anordnen und auf ihre Kosten ausführen mussten.
Die Zürcher Bibel 2007:
Der Titel ‚Asiarchen‘ bezeichnet entweder Abgeordnete des Landtags der Provinz Asia oder eine Personengruppe mit repräsentativen, den Kult betreffenden Aufgaben.
Es scheint also nicht ganz geklärt zu sein, wer diese Asiarchen waren und was ihre Aufgabe war. Eine Verbindung zum Kaiserkult ist aber nicht ganz unwahrscheinlich.
Wie kam es nun zu ihrer Freundschaft mit Paulus? Pflegte Paulus, so wie es in der Welt üblich ist, einige oberflächliche Freundschaften? Wollte er sich einfach mit den jeweiligen Machthabern gutstellen?
Wie passt das zu Jakobus 4,4?
Ihr Ehebrecher, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer also ein Freund der Welt sein will, der wird zum Feind Gottes.
Viele Übersetzungen schreiben, dass die Asiarchen oder hohen Beamten Freunde (Menge und frühere Lutherausgaben schreiben sogar: gute Freunde) von Paulus waren. Einige Übersetzungen lauten etwa anders.
Auch einige hohe Beamte der Provinz Asien, die mit ihm befreundet waren, […] – Einheitsübersetzung 2016
Auch einige der Oberen der Provinz Asia, die ihm freundlich gesinnt waren, […] – Luther 2017
[…] auch einige der Asiarchen, die ihm wohlgesinnt waren, […] – Zürcher Bibel 2007
[…] auch einige der Asiarchen, die ihm gut gesinnt waren, […] – Kürzinger (Pattloch Bibel)
Das griechische Wort φίλος / phílos kann als Substantiv mit der Bedeutung „Freund“ oder als Adjektiv mit der Bedeutung „geliebt, lieb, wert, teuer, liebend, freundschaftlich gesinnt, zugetan“ aufgefasst werden.
Im Zusammenhang von Apostelgeschichte 19,31 passt es sehr gut, das Wort als Adjektiv zu verstehen. Paulus hat sicher auf ein korrektes Verhältnis zur Obrigkeit von Ephesus geachtet, um die Mission nicht zu gefährden. Vermutlich hat er auch den Kontakt mit einigen der führenden Persönlichkeiten gesucht, um Gerüchten, dass die Christen Staatsfeinde seien (vergleiche Apostelgeschichte 17,7), von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das heißt aber nicht, dass er mit diesen Beamten mit freundschaftlichen Banden verbunden war. Wohl aber konnten sie aus der Begegnung mit ihm wissen, dass er und seine Botschaft in keinem Gegensatz zur römischen Obrigkeit standen.
Wahrscheinlich wussten die Asiarchen, dass Paulus römischer Bürger war. So hatten sie auch Grund, Schwierigkeiten zu befürchten, falls Paulus vom Mob verletzt oder gar getötet würde. Sie wollten den Frieden in der Stadt und die Beziehung zur römischen Zentralmacht nicht gefährden, wie es auch der Stadtschreiber in Vers 40 ausdrückte:
Sonst sind wir in Gefahr, dass man uns nach dem heutigen Vorfall des Aufruhrs anklagt, weil kein Grund vorliegt, mit dem wir diesen Volksauflauf rechtfertigen könnten.
Falls die Asiarchen für den Kaiserkult zuständig war, bestand möglicherweise auch eine Konkurrenzsituation zum Artemiskult, sodass sie dem Anliegen der Silberschmiede auch kritisch gegenüber stehen konnten. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits.
Aus Apostelgeschichte 19,31 muss man also nicht entnehmen, dass die Asiarchen Freunde von Paulus waren. Es genügt als Erklärung, dass sie ihm wohlgesinnt waren und um den Frieden in Ephesus besorgt waren.
Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! 18 Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!
(Römer 12,17b-18)