20 Unter den Pilgern, die beim Fest Gott anbeten wollten, gab es auch einige Griechen. 21 Diese traten an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und baten ihn: Herr, wir möchten Jesus sehen. 22 Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus. (Johannes 12,20-22)
Die griechischen Festpilger, die anlässlich des Pascha-Festes im Jahre 30 nach Jerusalem gekommen waren, waren entweder Proselyten, d. h. Nichtjuden, die vollständig zum Judentum konvertiert waren und sich auch beschneiden ließen, oder sogenannte Gottesfürchtige, die an den Gott Israels als dem einzigen Gott glaubten, aber sich nicht voll dem Judentum anschlossen. Ich würde eher annehmen, dass es Gottesfürchtige waren.
Diese Griechen baten Philippus, dass er sie zu Jesus führen möge. Dieser ging dann gemeinsam mit Andreas zu Jesus. Danach kommen diese Griechen im Text des Evangeliums nicht mehr vor. Wir erfahren nicht, ob Philippus und Andreas mit oder ohne die Griechen zu Jesus gingen. Später im Text, in Vers 29, ist von einer Volksmenge die Rede. Wahrscheinlich sind diese Griechen zumindest in der Menge gestanden. Aber sie haben sich mit ihrer Bitte, Jesus zu sehen, wohl mehr erwartet, als nur einen Blick auf ihn zu werfen und in der Menge stehend seine Worte zu hören.
In seiner Antwort ging Jesus nicht auf die durch die Apostel vorgebrachte Bitte ein. Hat Jesus sie ignoriert?
Zuerst hat Jesus über seine Verherrlichung und seinen Tod gesprochen.
23 Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. 24 Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. 25 Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. 26 Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. (Johannes 12,23-26)
Vor der Verherrlichung kam der Tod des Weizenkorns. Die reiche Frucht, die sein Tod gebracht hat, ist das Leben, das Jesus allen schenkt, die sich von ihm beschenken lassen und ihm folgen. Jesus hat in diesem Zusammenhang auch von seinen Nachfolgern gesprochen, die dieselbe Gesinnung wie er haben sollen. Wer sein Leben im Dienst an Jesus hingibt, wird vom Vater geehrt.
Jesus war angesichts seines bevorstehenden Todes erschüttert. Doch ging es ihm allein um die Verherrlichung des Namens des Vaters. Es erfolgte eine Stimme vom Himmel, die die Worte Jesu bestätigte, aber von den Zuhörern unterschiedlich aufgenommen wurde (Johannes 12,27-30).
Dann sprach Jesus über die geistliche Bedeutung seines Todes:
31 Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. 32 Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. (Johannes 12,31-32)
Mit dem „Herrscher der Welt“ ist der Teufel gemeint, nicht, wie manche Muslime annehmen, Mohammed. Das „Gericht über diese Welt“ ist noch nicht das Endgericht. Aber Jesus hat in seinem Tod mit seiner Liebe die Bosheit und den Hass der Welt besiegt. Er hat durch seine Demut den Satan, den Feind Gottes, welcher gleichsam der Hochmut und der Stolz in Person ist, überwunden. Wer den Sieg Jesu annimmt und ihm nachfolgt, darf diesen Sieg in seinem Leben erfahren.
4 Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube. 5 Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist? (1 Johannes 5,4-5)
Durch den Sieg Jesu ist es möglich, ein Leben nach Gottes Geboten zu leben, Versuchungen und Sünden zu überwinden.
In Vers 32 spricht Jesus davon, dass er, wenn er über die Erde erhöht ist, alle zu sich ziehen werde. Der Evangelist hat darin eine Andeutung auf seinen Kreuzestod gesehen.
Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde. (Johannes 12,33)
Doch in diesen Worten ist noch viel mehr enthalten. Die „Erhöhung“ ist einerseits der Tod am Kreuz. Es geht aber auch um die Erhöhung zum Vater.
9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9-11)
Er ist erhöht und sitzt an der Seite des Vaters, damit sich vor ihm alle Knie beugen und ihn als Herrn bekennen. In dieser Stellung zieht Jesus alle zu sich. Das bedeutet nicht Allversöhnung in dem Sinn, dass alle automatisch das Heil erlangen. Die freie Entscheidung des Menschen wird ihm durch die Erlösung nicht genommen. Jesus ruft und zieht alle zu sich. Doch der Mensch muss sich rufen und ziehen lassen, in Freiheit Ja zu ihm sagen.
Ich verstehe Vers 32 so, dass diese Worte Jesu auch die Antwort an die Griechen darstellen. In seinem irdischen Wirken ist Jesus vor allem zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gekommen (Matthäus 15,24). Doch sein Erlösungswerk ist universal. Jesus ruft und zieht alle Menschen aller Völker zu sich und dadurch zu Gott. Das ist die Hoffnung nicht nur für die griechischen Pilger, die Jesus sehen wollten, sondern für jeden Menschen. Im Namen Jesu ist das Heil für alle.
Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen. (Apostelgeschichte 4,12)
Da gibt es dann nicht mehr Griechen und Juden, Beschnittene und Unbeschnittene, Barbaren, Skythen, Sklaven, Freie, sondern Christus ist alles und in allen. (Kolosser 3,11)