4b Ich bin Josef, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. 5 Jetzt aber schmerze es euch nicht und es brenne nicht in euren Augen, weil ihr mich hierher verkauft habt. Denn um Leben zu erhalten, hat mich Gott vor euch hergeschickt. 6 Ja, zwei Jahre sind es jetzt schon, dass der Hunger im Land herrscht. Und noch fünf Jahre stehen bevor, in denen man weder pflügen noch ernten wird. 7 Gott aber hat mich vor euch hergeschickt, um euch im Land einen Rest zu erhalten und euch für eine große Rettungstat am Leben zu lassen. 8 Also nicht ihr habt mich hierhergeschickt, sondern Gott. Er hat mich zum Vater für den Pharao gemacht, zum Herrn für sein ganzes Haus und zum Herrscher über das ganze Land Ägypten. (Genesis 45,4b-8)
Als Josef sich seinen Brüdern zu erkennen gab, betonte er dreimal, dass es Gott war, der ihn nach Ägypten geschickt hatte.
Seine Brüder wussten nur zu gut und es war ihnen schmerzlich bewusst, dass sie es waren, die Josef, den sie ursprünglich sogar töten wollten (Genesis 37,20), in die Sklaverei verkauft hatten (Genesis 37,25-28).
Bereits bei ihrem ersten Besuch in Ägypten, als Josef einen von ihnen in Gewahrsam nehmen ließ, stellten sie einen Zusammenhang mit ihrer Schuld an Josef her:
Sie sagten zueinander: Ach ja, wir sind an unserem Bruder schuldig geworden. Wir haben zugesehen, wie er sich um sein Leben ängstigte. Als er uns um Erbarmen anflehte, haben wir nicht auf ihn gehört. Darum ist nun diese Angst über uns gekommen. (Genesis 42,21)
In Genesis 45,4 und 5 erwähnte Josef auch, dass sie es waren, die ihn nach Ägypten verkauft haben. Er sah aber den tieferen Hintergrund. Er sah es als Gottes Wirken, dass er nach Ägypten kam. Gott hatte ihn nach Ägypten gesandt, um durch ihn eine Rettungstat zu setzen.
Josef sagte das auch, um seine Brüder zu ermuntern und aufzurichten (vergleiche Vers 5a). Aber es ging ihm nicht nur darum. Hinter allem Ungemach, das ihn getroffen hat, hinter seiner Todesangst, seiner Versklavung, seiner mehr als zwei Jahre dauernden Gefangenschaft stand Gottes Wirken.
Das bedeutet keinesfalls, dass die Brüder Josefs unschuldig waren, weil das, was sie taten, von Gott so angeordnet worden war. Sie haben in Freiheit und eigenverantwortlich gehandelt. Gott hat sie nicht dazu bestimmt, dass sie ihren Bruder verkaufen mussten. Sie konnten ihre Schuld nicht auf eine göttliche Vorherbestimmung abschieben.
Vielmehr war es so, wie es Josef nach dem Tod Jakobs sagte, als seine Brüder wieder Angst vor der Vergeltung Josefs hatten:
Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten. (Genesis 50,20)
Gott hat die Bosheit der Menschen nicht benötigt, um seinen Plan durchzuführen. Er hat das Böse in Gutes verwandelt.
Hätten seine Brüder Josef nicht in die Sklaverei verkauft, hätte Gott einen anderen Weg zur Rettung aus der Not gefunden. Das Böse ist niemals die Voraussetzung für das Gute. Aber Gott kann das Böse zum Guten wenden.
Im Vergleich der koranischen Version der Josefsgeschichte mit dem biblischen Text fällt auf, dass dieser Aspekt der Führung Gottes fehlt. In Sure 12,92 heißt es nur:
Er sagte: „Keine Schelte soll heute über euch kommen. Allah vergibt euch, Er ist ja der Barmherzigste der Barmherzigen.“
Yusuf sagte seinen Brüdern die Vergebung zu, nachdem sie in Vers 91 ihre Verfehlungen eingestanden hatten. Aber es gibt keinen Hinweis auf Gottes Wirken im Zusammenhang mit ihrem Tun.
Das rettende Wirken Gottes trotz der bösen Taten der Menschen wird auch und besonders im Erlösungswerk Jesu sichtbar. Der Verrat durch Judas, das ungerechte Urteil des Hohen Rates, das Urteil des Pilatus, der die Unschuld Jesu erkannte, aller Spott und alle Schmerzen, die Jesus zugefügt wurden, hatten ihren Grund in der Bosheit der Menschen. Sie waren nicht von Gott gezwungen, so zu handeln, wie sie gehandelt haben. Ihre bösen Taten waren nicht die Voraussetzung für die Erlösung. Es ist Jesu vollkommene Liebe und Hingabe, die den Menschen erlöst. Aber Gott hat die Bosheit der Menschen geschehen lassen und daraus Gutes gewirkt.
So ist die Erniedrigung Josefs in Ägypten ein alttestamentlicher Hinweis auf die viel tiefere Erniedrigung des Sohnes Gottes. In beiden Fällen hat Gott die Erniedrigung und die darauf folgende Erhöhung zur Rettung verwendet. Bei Josef zur Rettung aus der Hungersnot. Bei Jesus zur Rettung aus Sünde und Tod für alle, die ihm ihr Leben anvertrauen.
30 Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. 31 Ihn hat Gott als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken. (Apostelgeschichte 5,30-31)