2 Johannes hörte im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine Jünger zu ihm 3 und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? 4 Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: 5 Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. 6 Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
(Matthäus 11,2-6)18 Johannes erfuhr das alles von seinen Jüngern. Da rief Johannes zwei seiner Jünger zu sich, 19 schickte sie zum Herrn und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? 20 Als die Männer zu Jesus kamen, sagten sie: Johannes der Täufer hat uns zu dir geschickt und lässt dich fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten? 21 Zu jener Stunde heilte Jesus viele Menschen von Krankheiten und Leiden und bösen Geistern und schenkte vielen Blinden das Augenlicht. 22 Er antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. 23 Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
(Lukas 7,18-23)
Johannes hatte Jesus als den kommenden Messias verkündet. Zuerst allgemein ohne konkreten Hinweis auf seine Person:
11 Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. 12 Schon hält er die Schaufel in der Hand; und er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. (Matthäus 3,11-12; ähnlich Markus 1,7-8; Lukas 3,16-17; Johannes 1,26-27)
Als er Jesus im Jordan taufte, war das für ihn die göttliche Bestätigung, dass Jesus der von Gott gesandte Messias und Sohn Gottes ist.
31 Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird. 32 Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. 33 Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. 34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes. (Johannes 1,31-34)
Darum verkündigte Johannes, dass Jesus das Lamm Gottes ist:
29 Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! 30 Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. (Johannes 1,29-30)
Diese Verkündigung führte dazu, dass einige seiner Jünger sich Jesus anschlossen und ihm nachfolgten (Johannes 1,35-51).
Andere Jünger wagten diesen Schritt nicht und blieben bei Johannes, der seinen Dienst der Verkündigung und der Taufe fortsetzte. In Johannes 3 lesen wir einen Dialog zwischen dem Täufer und seinen Jüngern:
26 Sie kamen zu Johannes und sagten zu ihm: Rabbi, der Mann, der auf der anderen Seite des Jordan bei dir war und für den du Zeugnis abgelegt hast, der tauft jetzt und alle kommen zu ihm. 27 Johannes antwortete: Kein Mensch kann etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. 28 Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern nur vor ihm hergesandt. 29 Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihn hört, ist voller Freude über die Stimme des Bräutigams. Diese Freude hat sich nun bei mir vollendet. 30 Er muss wachsen, ich aber geringer werden. (Johannes 3,26-30)
Es war wahrscheinlich nicht lange danach, dass Johannes von Herodes Antipas ins Gefängnis geworfen wurde, weil er dessen Ehe mit der Frau seines Bruders getadelt hatte (Matthäus 14,3).
Aus dem Gefängnis in Machairos (laut Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XVIII 5,2 §116-119) sandte Johannes seine Jünger mit der Frage zu Jesus, ob er der sei, der kommen soll.
Sollen wir das so verstehen, dass Johannes im Gefängnis und angesichts des drohenden Todes von Zweifeln geplagt wurde? Hatte er seine früheren Erkenntnisse verloren? Man könnte sich vorstellen, dass der Täufer erwartet hatte, dass Jesus gemäß Matthäus 3,12 rasch mit dem Gericht über die Ungläubigen und Heuchler beginnen würde. Jesus hat aber ganz anders gehandelt. War das der Grund für Zweifel von Johannes?
Aber Johannes hat über Jesus als dem „Lamm Gottes“ gesprochen. Das kann man nur vor dem Hintergrund von Jesaja 53 verstehen, wo der Knecht Gottes als leidendes und geschlachtetes Lamm vorgestellt wird. Also war für Johannes den Täufer der Gedanke von der Erniedrigung des Messias nicht unbekannt.
Aber vielleicht geht es gar nicht um die Zweifel des Täufers, sondern um die seiner Jünger. Laut Lukas 7,18 haben diese dem Täufer von den Wundern Jesu erzählt. Daraufhin schickte er zwei seiner Jünger zu Jesus mit der Frage, ob er der Kommende sei, zu ihm. Gerade die Nachricht über die Wunder Jesu hätte den Täufer doch darin bestärkt, dass Jesus tatsächlich der Messias ist. Die Antwort, die Jesus gab, war im Grunde auch nichts anderes als ein Verweis auf seine Wundertaten und die Verkündigung der Guten Botschaft an die Armen. Die Antwort Jesu enthielt deutliche Hinweise auf messianische Stellen des Alten Testaments wie Jesaja 61,1 und 35,5. Da Johannes die Nachricht über die Wundertaten Jesu gehört hatte, bevor er die Jünger mit der Frage zu Jesus gesandt hat, passt es nicht, dass es um seine eigenen Zweifel ging. Wer sonst außer dem Messias könnte diese Wunder wirken?
Vielleicht sah Johannes gerade in diesen Wundern einen Punkt, seine Jünger zu der Erkenntnis zu führen, der sie sich bisher verweigert hatten. Gerade weil er mit seinem baldigen Tod rechnen musste, sollten sie den Weg zu Jesus finden.
Ich weiß nicht, wie einfach die Kommunikation zwischen dem gefangenen Johannes und seinen Jüngern war. Ich nehme an, dass es nicht so wie in modernen Gefängnissen war, oder dass Johannes eine leichte Haft wie Paulus in Apostelgeschichte 24,23 zuteilgeworden ist. Vielleicht konnten sie gar nicht frei miteinander sprechen. Wenn angesichts der Wunder Jesu in den Jüngern des Täufers wieder die Frage auftauchte, wer Jesus ist, ob er vielleicht doch der Messias sein könnte, war es in der Situation vielleicht das Einfachste für den Täufer, wenn er seinen Jüngern sagte: Fragt ihn doch selbst!1
Nachdem die Johannesjünger wieder gegangen waren, sprach Jesus in sehr positiven Worten über den Täufer. Da kam kein Wort der Kritik.
9 Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: sogar mehr als einen Propheten. 10 Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird. 11 Amen, ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er. (Matthäus 11,9-10; ähnlich Lukas 7,26-28)
Das spricht auch dafür, dass es nicht um Zweifel des Täufers ging.
Das Wort Jesu
Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. (Matthäus 11,6 // Lukas 7,23)
muss sich nicht direkt auf Johannes beziehen. Es ist eine allgemeine Aussage, die jeden betrifft, der mit Jesus konfrontiert wird und feststellt, dass Jesus nicht seinen eigenen Vorstellungen entspricht.
Auch wenn man nicht mit völliger Gewissheit ausschließen kann, dass es um Zweifel des Täufers geht, spricht meines Erachtens der biblische Befund dafür, dass es um seine Jünger ging.
76 Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; denn du wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten. 77 Du wirst sein Volk mit der Erfahrung des Heils beschenken in der Vergebung seiner Sünden. 78 Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, 79 um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens. (Lukas 1,76-79)
- Den Vorschlag, dass es um die Zweifel der Jünger ging, finden wir auch schon bei Johannes Chrysostomus in seiner 36. Homilie zum Matthäusevangelium. Er sieht jedoch die Jünger negativer als ich. ↩