Am 14. Februar 1546 hielt Martin Luther seine letzte Predigt in seiner Heimatstadt Eisleben. Es ging um Matthäus 11,25-30. Diese Predigt, in der er viel gegen den Papst und katholische Bräuche, etwas auch gegen die Täufer spricht, soll aber nicht das Thema sein. Seine Predigt ist z. B. hier zu finden. Er beendete die Predigt mit einem Hinweis auf seine körperliche Schwäche.
Das und viel mehr wäre von diesem Evangelio weiter zu sagen, aber ich bin zu schwach, wir wollen’s hierbei bleiben lassen.
Es folgte aber noch eine „Vermahnung wider die Juden“, die ich hier in von mir aktualisierter Sprache und Rechtschreibung zitiere.1
Nachdem ich nun eine Zeitlang allhier gewesen und euch gepredigt habe, auch nun anheim muss und vielleicht euch nicht mehr predigen möchte, so will ich euch hiemit gesegnet und gebeten haben, dass ihr fleißig bei dem Wort bleibet, das euch eure Prediger und Pfarrherren von der Gnade Gottes getreulich lehren und euch auch gewöhnet zum Beten, dass euch Gott vor allen Weisen und Klüglingen behüten wolle, die die Lehre des Evangeliums verachten. Denn sie haben oft viel Schaden getan und möchten es noch tun.
Nebst anderen habt ihr auch noch die Juden im Lande, die da großen Schaden tun. Nun wollen wir christlich mit ihnen handeln und bieten ihnen zuerst den christlichen Glauben an, dass sie den Messias annehmen wollen, der doch ihr Vetter ist und von ihrem Fleisch und Blut geboren und rechter Abrahams Samen, des sie sich rühmen. Wie wohl ich Sorge trage, das jüdische Blut sei nur mehr wässerig und wild geworden. Das sollt ihr ihnen zuerst anbieten, dass sie sich zu dem Messias bekehren wollen und sich taufen lassen, dass man sehe, dass es ihnen ein Ernst sei. Wo nicht, so wollen wir sie nicht leiden. Denn Christus gebietet uns, dass wir uns sollen taufen lassen und an ihn glauben. Ob wir gleich nun so stark nicht glauben können, wie wir wohl sollten, so trägt doch Gott Geduld mit uns.
Nun ists mit den Juden also getan, dass sie unsern Herrn Jesus Christus nur täglich lästern und schänden. Dieweil sie das tun und wir wissen’s, so sollen wir es nicht leiden. Denn soll ich denn bei mir leiden, der meinen Herrn Christus schändet, lästert und verflucht, so mache ich mich fremder Sünden teilhaftig, so ich doch an meinen eigenen Sünden genug habe. Darum sollt ihr Herrn sie nicht leiden, sondern sie wegtreiben. So sie sich aber bekehren, ihren Wucher lassen und Christus annehmen, so wollen wir sie gerne als unsere Brüder halten.
Anders wird nichts draus, denn sie machen’s zu groß. Sie sind unsere öffentlichen Feinde, hören nicht auf, unsern Herrn Christus zu lästern, heißen die Jungfrau Maria eine Hure, Christus ein Hurenkind. Uns heißen sie Wechselbälge oder Mahlkälber, und wenn sie uns könnten alle töten, so täten sie es gerne und tun’s auch oft, besonders die sich als Ärzte ausgeben, ob sie gleich je zu Zeiten helfen. Denn der Teufel hilft’s doch zuletzt versiegeln. So können sie die Arznei auch, wie man es in Welschland (= Italien) kann, da man einem Gift beibringt, davon er in einer Stunde, in einem Monat, in einem Jahr, ja in zehn oder zwanzig Jahren sterben muss. Die Kunst können sie.
Darum seid unverworren mit ihnen als mit denen, die da nichts anders bei euch tun, als dass sie unsern lieben Herrn Jesus Christus gräulich lästern, uns nach Leib, Leben, Ehre und Gut stehen. Noch wollen wir die christliche Liebe an ihnen üben und für sie bitten, dass sie sich bekehren, den Herrn annehmen, den sie vor uns billig ehren sollten. Welcher solches nicht tun will, da setze es in keinem Zweifel, dass der ein verböster Jude ist, der nicht ablassen wird, Christus zu lästern, dich auszusaugen und (wo er kann) zu töten.
Darum bitte ich, wollet euch fremder Sünde nicht teilhaftig machen. Ihr habt genugsam Gott zu bitten, dass er euch gnädig sei und euer Regiment erhalte. Wie ich noch täglich bitte und dücke mich unter den Schirm des Sohnes Gottes. Den halte und ehre ich für meinen Herrn, zu dem muss ich laufen und fliehen, wo mich der Teufel, die Sünde oder anderes Unglück anficht. Denn er ist mein Schirm, so weit Himmel und Erde ist, und meine Gluckhenne, unter die ich krieche vor Gottes Zorn. Darum kann ich mit den verstockten Lästerern und Schändern dieses lieben Heilands keine Gemeinschaft noch Geduld haben.
Das habe ich als ein Landkind euch zur Warnung zuletzt sagen wollen, dass ihr euch fremder Sünde nicht teilhaftig macht. Denn ich meine es ja gut und treulich, sowohl mit den Herrn und Untertanen. Wollen sich die Juden zu uns bekehren und von ihrer Lästerung und, was sie uns sonst getan haben, aufhören, so wollen wir es ihnen gerne vergeben. Wo aber nicht, so sollen wir sie auch bei uns nicht dulden und leiden.
Diese Rede richtet sich in erster Linie an die Landesherren, die aufgefordert werden, Juden, die sich nicht zu Jesus oder auch „zu uns“ bekehren wollen, nicht zu dulden, was auf eine Aufforderung zur Judenvertreibung hinausläuft.
Luther kannte nicht den Rassenwahn einer späteren Zeit, die sich auch auf ihn berufen hat. Er hat zwar befürchtet, dass das jüdische Blut nur mehr „wässerig“ geworden sei. Das wäre aber eher der entgegengesetzte Vorwurf, dass sie keine „reinen“ Juden mehr seien.
Abgesehen davon, dass Luther die zu seiner Zeit üblichen Vorurteile wie dem der Giftmischerei, oder dass Juden die „Christen“ töten wollten, teilte, was schlimm genug ist, zeigen seine Worte, dass er nicht verstanden hat, dass es Gott um eine freie Glaubensentscheidung geht. Er wollte Juden unter Androhung der Vertreibung (wohin?) zum Glauben an Jesus zwingen. Gerade dadurch hat er, der den Juden vorwarf, Jesus zu lästern, den Namen des Herrn Jesus nicht minder gelästert. Darum konnte Luther auch die Täufer nicht ertragen, für die die freie Entscheidung zum Glauben an Jesus wesentlich war, und hat zu deren blutiger Verfolgung aufgerufen.
Wiederholt hat er sich auf 1 Timotheus 5,22b berufen:
Mach dich nicht mitschuldig an fremden Sünden!
Paulus geht es an dieser Stelle aber nicht um Außenstehende, sondern um Menschen in der Gemeinde, insbesondere um Verantwortungsträger.
Auch in 1 Korinther 5 hat Paulus eine klare Unterscheidung gemacht:
9 Ich habe euch in meinem Brief geschrieben, dass ihr nichts mit Unzüchtigen zu schaffen haben sollt. 10 Gemeint waren damit nicht alle Unzüchtigen dieser Welt oder alle Habgierigen und Räuber und Götzendiener; sonst müsstet ihr ja aus der Welt auswandern. 11 Nun aber habe ich euch geschrieben: Habt nichts zu schaffen mit einem, der sich Bruder nennt und dennoch Unzucht treibt, habgierig ist, Götzen verehrt, lästert, trinkt oder raubt; mit einem solchen Menschen sollt ihr auch keine Tischgemeinschaft haben. 12 Was geht es mich denn an, die Außenstehenden zu richten? Habt ihr nicht die zu richten, die zu euch gehören? 13 Die Außenstehenden wird Gott richten. Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte! (1 Korinther 5,9-13)
Die Gemeinde ist in der Welt immer eine Minderheit. Zu ihr gehören nur die, die Jesus nachfolgen wollen. Die Gemeinde trägt die Verantwortung, dass Menschen, die sich der Erneuerung und Heiligung, die ihnen Jesus schenkt, verweigern und ihre Sünden nicht aufgeben, in der Gemeinde keinen Platz haben. Doch muss die Gemeinde damit leben, dass viele Menschen außerhalb der Gemeinde in ihren Sünden leben und, so schlimm das auch ist, Gott und Jesus lästern.
Luther war dem Gedanken verpflichtet, dass es ein christliches Gemeinwesen geben könne und solle, zu dem man alle, die in einem bestimmten Gebiet wohnen, verpflichten müsse. Bei den „christlichen“ Herren war Luther aber nicht so streng. Da wurde auch Bigamie toleriert. Gerade durch die Verknüpfung von Kirche und Staat wurde ein biblisches Gemeindeleben unmöglich gemacht. Jeder sollte dazu gehören, auch die, denen der Glaube nichts oder nicht viel bedeutete.
Darum konnte und wollte er es nicht „leiden“, dass es mitten unter den „Christen“ Juden gab, die das von ihm gepredigte Christentum ablehnten. Dadurch hat er es den Juden noch schwerer gemacht, an Jesus zu glauben.
Wenige Tage später, am 18. Februar 1546, ist Martin Luther gestorben. Seine Ablehnung der Juden war ihm bis an sein Lebensende so wichtig, dass er, nachdem er seine Predigt, weil er so schwach war, nicht mehr weitergeführt hat, doch noch etwas gegen die Juden sagen musste.
In diesem Punkt war er Mohammed ähnlich, der kurz vor seinem Tod die Juden verflucht hat. Mehr dazu hier. Luther hat allerdings die Juden nicht ausdrücklich verflucht, sondern ihnen nur für den Fall, dass sie sich nicht bekehren, die Vertreibung angedroht. Mohammed hat zusätzlich auch die Christen verflucht. Da gab es schon noch einen Unterschied zwischen den beiden.
Das von Luther verwendete Bild von der „Gluckhenne“, unter die er kriecht, um vor Gottes Zorn geschützt zu sein, hat er wohl aus Matthäus 23,37 genommen, aber nicht korrekt interpretiert. Gedanken zum Zorn Gottes und zur Erlösung durch Jesus habe ich hier zusammengestellt.
Die letzte Rede Martin Luthers zeigt, dass auch er sich Gott verweigert hat und so viel Unglück über die Welt gebracht hat.
- Luther, Martin: Vier Predigten des Ehrwirdigen Herrn D. Martini Luthers, zu Eisleben vor seinem abschied aus diesem leben gethan, Wittenberg 1546. Im digitalisierten Text ab S. 137. ↩