Kleidung und Geschlechtsidentität

Eine Frau soll nicht die Ausrüstung eines Mannes tragen und ein Mann soll kein Frauenkleid anziehen; denn jeder, der das tut, ist dem HERRN, deinem Gott, ein Gräuel. (Deuteronomium 22,5)

Betrifft dieses Gesetz nur die Israeliten oder ist es auch für Christen bedeutsam? Hat es vielleicht eine Relevanz für alle Menschen?

Im Zusammenhang geht es nicht um irgendwelche Ritualvorschriften. In den Versen zuvor geht es darum, wie man mit gefundenem Gut, insbesondere Nutztieren, die sich verlaufen haben, umgeht (Deuteronomium 22,1-3) oder um die Hilfe, die man seinem Bruder zukommen lassen soll, wenn eines seiner Tiere unter der Last zusammenbricht (Deuteronomium 22,4). Es geht um Hilfe, die man dem Bruder, womit der Mitisraelit gemeint war, zukommen lassen soll. Das heißt aber nicht, dass man den Fremdlingen im Land diese Hilfe nicht gewähren sollte. Der Mitmensch soll einem nicht egal sein. Es geht um Verantwortung füreinander.

In den Folgeversen 6-7 geht es um die Schonung einer Vogelmutter, deren Eier oder Jungen man nehmen durfte, nicht aber die Vogelmutter selbst. In Vers 8 folgt das Gebot, Dachterrassen durch ein Geländer abzusichern. Darauf folgen in den Versen 9-11 Verbote von Vermischungen wie das Verbot, verschiedene Pflanzen im Weinberg anzubauen oder Ochse und Esel zusammen vor den Pflug zu spannen oder Mischgewebe aus Wolle und Flachs zu tragen.

Es werden hier verschiedenste Gebote mit unterschiedlicher Bedeutung zusammengefasst. Dass man eine Dachterrasse absichert, sollte für jedermann klar sein – auch ohne göttliches Gebot. Die Verbote von Vermischungen hatten ihre Relevanz wohl nur in der alttestamentlichen Gesellschaft. Das im nächsten Vers (12) geschriebene Gebot, Quasten an der Kleidung anzubringen, war nur im Volk Israel wichtig, und wurde im Christentum nie befolgt.

Nimmt man Vers 5 ganz wörtlich, dann geht es nicht nur um die Kleidung. Es heißt im ersten Teil des Verses:

Eine Frau soll nicht die Ausrüstung eines Mannes tragen.

Das hebräische Wort für Ausrüstung כְּלִי / kelî, meint üblicherweise nicht Kleidung, sondern Gerätschaft aller Art. Es wird auch für Werkzeug, Waffen, Musikinstrumente, Geschirr … verwendet. Dass hier auch die Kleidung gemeint ist, geht aus der Parallele mit der zweiten Vershälfte hervor, wo es Männern verboten ist, Frauenkleider zu tragen. Man könnte den Vers auch so verstehen, dass es Frauen verboten ist, jegliche Ausrüstung von Männern zu tragen. Dazu gehören dann auch Waffen oder von Männern verwendete Werkzeuge. Dann dürften Frauen nicht in Männerberufen tätig sein.

In fundamentalistischen Kreisen entnimmt man diesem Vers, dass es Frauen verboten sei, Hosen zu tragen. Doch woher entnimmt man, dass Hosen, die im alten Israel auch von Männern nicht getragen wurden, nur eine Männerbekleidung sein können?

Ich sehe in diesem Vers die bleibende Bedeutung, dass die Unterschiede und Grenzen zwischen den beiden Geschlechtern nicht verwischt werden sollen. Männer und Frauen haben ihren je eigenen Wert vor Gott. Diesen Wert gilt es zu achten und die Grenzen zu respektieren, auch wenn diese in unterschiedlichen Kulturen einen unterschiedlichen Ausdruck finden.

Ein Mann soll sein Mann-Sein dankbar annehmen und ebenso eine Frau ihr Frau-Sein.

Wir leben in einer Zeit, in welcher manche Kreise, die der Schöpfungsordnung den Kampf angesagt haben, den Zeitgeist bestimmen, demzufolge das biologische Geschlecht mit dem Geschlecht, das man sich frei wählen kann, nicht viel zu tun habe. Man versucht sogar Kinder möglichst früh mit der Frage zu konfrontieren, ob ihr biologisches Geschlecht wirklich das Geschlecht ist, das ihnen entspräche. Überdies gäbe es eine Vielzahl von Geschlechtern. Auf diese Weise wird jungen Menschen schwerer Schaden zugefügt. Wenn jemand dagegen auftritt und offen behauptet, dass es nur zwei Geschlechter gibt, kann es in einem fortschrittlichen Land schon passieren, dass man von einer katholischen Schule fliegt und von der Polizei festgenommen wird.

Der Gedanke, dass jemand „im falschen Körper“ geboren ist, zu dem manche aufgrund dieser „fortschrittlichen“ Propaganda gelangen, zeigt im Grunde ein gnostisches Menschenbild, demzufolge der Körper etwas ist, das gar nicht zu meinem Wesen gehört, vielleicht sogar ein Gefängnis ist. Ich bin, obwohl ich weiblich empfinde, an einen männlichen Körper gebunden – oder umgekehrt. Das kann im schlimmsten Fall zur medizinischen Verstümmelung führen, die man vielleicht später, wenn sie unumkehrbar ist, bereut.

Ein Mensch, der keinen Halt in Gott hat und der Indoktrination durch eine gott- und menschenfeindliche Ideologie hilflos ausgesetzt ist, kann durch die Konzentration auf sein durch diese Propaganda verwirrtes Gefühlsleben tatsächlich nicht mehr wissen, ob er ein Mann oder eine Frau ist.

Es bedarf einer ganzheitlichen Sicht des Menschen. Mein Körper ist nicht etwas, das mir aufgezwungen worden ist oder wohin ich gegen meinen Willen gesteckt worden bin. Mein Körper, das bin ich, ebenso wie ich meine Seele, mein Geist bin. Ich bin eine Einheit von Leib, Seele und Geist. Wenn ich meinen Körper missachte oder wenn ich ihn nicht akzeptiere, wie er ist, hasse ich im Grunde mich selbst und klage zugleich meinen Schöpfer an.

Zur ganzheitlichen Sicht des Menschen gehört auch der Blick auf Gott, den Schöpfer, der mich sehr gut gemacht hat. Im Blick auf Gott kommt eine Dankbarkeit ins Leben, für mich selbst, so wie mich mein Schöpfer gemacht hat.

Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin. Ich weiß es genau: Wunderbar sind deine Werke. (Psalm 139,14)

Im Blick auf Gott kann ich mich annehmen, wie ich bin. Wenn Gott im Zentrum ist und nicht meine subjektiven Gefühle, verändert Gott auch den Blick auf das, wie er mich geschaffen hat. Er schenkt auch den richtigen Blick auf das, was an mir infolge eines sündhaften Lebens nicht in Ordnung ist. Er möchte von der Sünde freimachen und so eine Veränderung bewirken.

Die Geschlechtsidentität ist dann nicht eine Frage meiner Gefühle, sondern ich kann die biologische Realität in Dankbarkeit annehmen. Eine Frau wird sich dann nicht als Mann ausgeben und ein Mann nicht als Frau. Das findet seinen Ausdruck auch in der Kleidung. Doch sollte man sich da nicht auf zu strikte Definitionen festlegen. Manche Kleidungsstücke sind im modernen europäischen Empfinden nicht spezifisch männlich oder spezifisch weiblich und können von beiden Geschlechtern getragen werden.

Die bleibende Bedeutung des Gebots von Deuteronomium 22,5 liegt darin, sich selbst in der Geschlechtsidentität anzunehmen, in der man von Gott geschaffen wurde und als Mann oder als Frau zur Ehre Gottes und zum Dienst am Mitmenschen zu leben.

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