Selig die Armen im Geiste …

Mit diesen Worten beginnt Jesus die Bergpredigt, wie wir sie in Matthäus 5-7 lesen. Was will er uns damit sagen?

Ein Blick auf verschiedene Übersetzungen von Matthäus 5,3 kann uns zeigen, wie unterschiedlich dieser Vers verstanden wird.

Μακάριοι οἱ πτωχοὶ τῷ πνεύματι, ὅτι αὐτῶν ἐστιν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν.

So lautet der Vers im Griechischen. Übersetzt wird er auf folgende Weisen:

Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel. (Revidierte Elberfelder)
Selig die Armen im Geist – ihnen gehört das Himmelreich. (Zürcher Bibel)

Glückselig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Reich der Himmel! (Schlachter 2000)
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. (Luther 2017)
Selig sind die geistlich Armen, denn ihnen wird das Himmelreich zuteil! (Menge)
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. (Einheitsübersetzung 2016)
Glücklich zu preisen sind die, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. (Neue Genfer Übersetzung)
Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn ihnen gehört sein himmlisches Reich. (Hoffnung für alle)
Wie glücklich sind die, die begreifen, wie arm sie vor Gott sind, / denn sie gehören dem Himmelreich an! (Neue evangelistische Übersetzung)
Glücklich sind die, die erkennen, dass sie Gott brauchen, denn ihnen wird das Himmelreich geschenkt. (Neues Leben)
Freuen dürfen sich alle, die nur noch von Gott etwas erwarten – mit Gott werden sie leben in seiner neuen Welt. (Gute Nachricht)
Selig die armen Menschen, die gequält werden, denn sie werden frei sein, wenn Gott König ist. (Klaus Berger und Christiane Nord)

Ich habe versucht, die Übersetzungen in etwa nach ihrer „Nähe“ zum griechischen Text zu ordnen.

Da sich der Begriff „arm im Geist“ oder „geistlich arm“ dem modernen Leser nicht von selbst erschließt, finden wir verschiedene Versuche, diese Worte für die Menschen der Gegenwart verständlicher zu machen. Während die meisten modernen Übertragungen darauf abzielen, dass die Menschen selig sind, die vor Gott arm sind, oder die ihre Armut vor Gott oder ihre Abhängigkeit von Gott erkennen, geht bei Berger/Nord der Aspekt des „Geistlichen“ verloren. Es geht bei ihnen um die Menschen, die gequält werden.

Ein Blick auf die Parallele in Lukas 6,20 zeigt, dass auch dort das „Geistliche“ nicht erwähnt ist.

Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. (Einheitsübersetzung 2016)

Bei Lukas ist zu bemerken, dass hier Jesus die Jünger direkt anspricht. Die Jünger waren ja nicht deswegen arm, weil sie unverschuldet in Not geraten sind, sondern weil sie ihr altes Leben hinter sich gelassen haben, um Jesus nachzufolgen. Die Gemeinschaft mit ihm war ihnen mehr wert als irdischer Besitz und materielle Absicherung.

Wir können annehmen, dass Jesus die Worte, die in unterschiedlichen Versionen von Matthäus und Lukas überliefert wurden, nicht nur einmal gesagt hat. Es können also beide Varianten auf ihn zurückgehen. Die Version von Lukas kann uns aber beim Verständnis von Matthäus 5,3 helfen.

Die Jünger Jesu haben sich nicht nur durch eine Gesinnung ausgezeichnet, sondern sie haben um seinetwillen tatsächlich auf materiellen Reichtum verzichtet. Sie wurden aus geistlichen Gründen arm.

Der Aspekt, zu erkennen, wie arm wir vor Gott sind, oder dass wir Gott brauchen, nur noch von ihm etwas erwarten sollen, ist wichtig. Ohne Demut können wir uns Gott nicht nahen. Nur wenn wir unsere Sünden sehen, unsere eigene Armseligkeit, sehen wir auch, wie sehr wir Erlösung brauchen. Ohne diese Erkenntnis kann uns Gott nicht helfen.

Diese Erkenntnis ist wichtig, aber nur der Anfang. Zur Nachfolge Jesu gehört auch, dass wir unseren Umgang mit den materiellen Dingen von Gott verändern lassen. „Armut im Geiste“ heißt auch, Armut im Sinne eines einfachen, bescheidenen Lebens geistlich, d. h. von Gott her anzunehmen.

Jesus selbst hat uns sein Beispiel gegeben:

Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen. (2 Korinther 8,9)

Er hat uns auch gesagt, wie sehr uns der Reichtum von Gott trennt:

Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. (Matthäus 19,24)

Wenn wir den Reichtum der Gnade Gottes erfahren haben, verliert das Materielle an Bedeutung, und der Verzicht wird nicht als große Entbehrung gesehen. Die Gefahr jedoch bleibt bestehen. Deswegen finden wir im Neuen Testament Warnungen und Ermunterungen.

Die Frömmigkeit bringt in der Tat reichen Gewinn, wenn man genügsam ist. Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. Die aber reich sein wollen, geraten in Versuchung und Verstrickung und in viele sinnlose und schädliche Begierden, welche die Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet. Du aber, ein Mann Gottes, flieh vor alldem! Strebe vielmehr nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut! (1 Timotheus 6,6-11)

Ermahne die, die in dieser Welt reich sind, nicht überheblich zu werden und ihre Hoffnung nicht auf den unsicheren Reichtum zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich gibt, was wir brauchen! Sie sollen wohltätig sein, reich werden an guten Werken, freigebig sein und, was sie haben, mit anderen teilen. So sammeln sie sich einen Schatz als sichere Grundlage für die Zukunft, um das wahre Leben zu erlangen. (1 Timotheus 6,17-19)

Euer Lebenswandel sei frei von Habgier; seid zufrieden mit dem, was ihr habt; denn Gott selbst hat gesagt: Ich werde dich keineswegs aufgeben und niemals verlasse ich dich. So dürfen wir zuversichtlich sagen: Der Herr ist mein Helfer, ich werde mich nicht fürchten. Was kann ein Mensch mir antun? (Hebräer 13,5-6)

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