Simon Petrus war eine der wichtigsten Persönlichkeiten der frühen Kirche. In allen „Apostellisten“ (Matthäus 10,2-4; Markus 3,16-19; Lukas 6,13-16; Apostelgeschichte 1,13-14) wird er an der ersten Stelle genannt. Er war der erste Mann, dem Jesus nach seiner Auferstehung erschienen ist (Lukas 24,34; 1 Korinther 15,4-5). In der Anfangszeit der Kirche trat er oft als Sprecher der Gemeinde auf.
Wenn nun alle vier Evangelien darüber schreiben, dass Simon Petrus nach der Verhaftung Jesu diesen dreimal verleugnet hat, ist das ein gewichtiges Argument für die Glaubwürdigkeit dieser Bücher. Es ist nicht denkbar, dass die Verleugnung Jesu durch Petrus erfunden worden wäre, wenn er nicht so gehandelt hätte. Petrus hat seine Sünde nicht versteckt, sondern sich offen dazu bekannt.
Lesen wir die vier Berichte über die Verleugnung aber im Detail, so scheinen sie nicht übereinzustimmen. Sollen wir annehmen, dass Petrus Jesus öfter als dreimal verleugnet hat, dass aber die Evangelisten jeweils nur drei Beispiele ausgewählt haben? Oder lassen sich die Berichte doch harmonisieren?
Erste Verleugnung
69 Petrus aber saß draußen im Hof. Da trat eine Magd zu ihm und sagte: Auch du warst mit diesem Jesus aus Galiläa zusammen. 70 Doch er leugnete es vor allen und sagte: Ich weiß nicht, wovon du redest. (Matthäus 26,69-70)
66 Als Petrus unten im Hof war, kam eine von den Mägden des Hohepriesters. 67 Sie sah, wie Petrus sich wärmte, blickte ihn an und sagte: Auch du warst mit diesem Jesus aus Nazaret zusammen. 68 Doch er leugnete und sagte: Ich weiß nicht und verstehe nicht, wovon du redest. (Markus 14,66-68a)
54 Darauf nahmen sie ihn fest, führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohepriesters. Petrus folgte von Weitem. 55 Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet und Petrus setzte sich zu den Leuten, die dort beieinandersaßen. 56 Eine Magd sah ihn am Feuer sitzen, schaute ihn genau an und sagte: Der war auch mit ihm zusammen. 57 Petrus aber leugnete es und sagte: Frau, ich kenne ihn nicht. (Lukas 22,54-57)
15 Simon Petrus und ein anderer Jünger folgten Jesus. Dieser Jünger war mit dem Hohepriester bekannt und ging mit Jesus in den Hof des Hohepriesters. 16 Petrus aber blieb draußen am Tor stehen. Da kam der andere Jünger, der Bekannte des Hohepriesters, heraus; er sprach mit der Pförtnerin und führte Petrus hinein. 17 Da sagte die Pförtnerin zu Petrus: Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen? Er sagte: Ich bin es nicht. (Johannes 18,15-17)
Auch wenn der Wortlaut der Worte sowohl von der Magd als auch von Petrus im Detail voneinander abweicht, lassen sich die vier Berichte harmonisieren. Petrus wurde von einer Magd gefragt, wobei Johannes, der vermutlich als der „andere Jünger“ dabei war, präzisierte, dass diese Magd die Pförtnerin war.
Zweite Verleugnung
71 Und als er zum Tor hinausgehen wollte, sah ihn eine andere Magd und sagte zu denen, die dort standen: Der war mit Jesus dem Nazoräer zusammen. 72 Wieder leugnete er und schwor: Ich kenne den Menschen nicht. (Matthäus 26,71-72)
Dann ging er in den Vorhof hinaus. 69 Als die Magd ihn dort bemerkte, sagte sie zu denen, die dabeistanden, noch einmal: Der gehört zu ihnen. 70 Er aber leugnete wieder. (Markus 14,68b-70a)
58 Kurz danach sah ihn ein anderer und bemerkte: Du gehörst auch zu ihnen. Petrus aber sagte: Nein, Mensch, ich nicht! (Lukas 22,58)
25 Simon Petrus aber stand da und wärmte sich. Da sagten sie zu ihm: Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern? Er leugnete und sagte: Ich bin es nicht. (Johannes 18,25)
Hier scheinen Matthäus und Markus einander zu widersprechen. Markus spricht in Vers 69 von derselben Magd wie bei der ersten Verleugnung, Matthäus hingegen von einer anderen Magd. Lukas ist sehr allgemein. „Ein anderer“ muss nicht notwendigerweise ein Mann gewesen sein. Auch Johannes schreibt sehr unspezifisch: Da sagten sie zu ihm …
Vorstellbar ist, dass sowohl die Pförtnerin als auch eine andere Magd den um das Feuer (Johannes 18,18) stehenden Leuten gesagt haben, dass Petrus einer der Jünger Jesu sei, worauf auch diese ihn mit diesem Vorwurf konfrontierten. Jeder Evangelist hat einen anderen Aspekt der Szene festgehalten.
Dritte Verleugnung
73 Wenig später kamen die Leute, die dort standen, und sagten zu Petrus: Wirklich, auch du gehörst zu ihnen, deine Mundart verrät dich. 74 Da fing er an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Gleich darauf krähte ein Hahn 75 und Petrus erinnerte sich an das Wort, das Jesus gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich. (Matthäus 26,73-75)
Wenig später sagten die Leute, die dort standen, von Neuem zu Petrus: Du gehörst wirklich zu ihnen; du bist doch auch ein Galiläer. 71 Da fing er an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet. 72 Gleich darauf krähte der Hahn zum zweiten Mal und Petrus erinnerte sich an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er begann zu weinen. (Markus 14,70b-72)
59 Etwa eine Stunde später behauptete wieder einer: Wahrhaftig, der war auch mit ihm zusammen; er ist doch auch ein Galiläer. 60 Petrus aber erwiderte: Mensch, ich weiß nicht, wovon du sprichst. Im gleichen Augenblick, noch während er redete, krähte ein Hahn. 61 Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort, das der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 62 Und er ging hinaus und weinte bitterlich. (Lukas 22,59-62)
26 Einer von den Knechten des Hohepriesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sagte: Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen? 27 Wieder leugnete Petrus und gleich darauf krähte ein Hahn. (Johannes 18,26-27)
Die drei synoptischen Evangelien stimmen darin überein, dass Petrus durch seine galiläische Mundart im Verdacht stand, ein Jünger Jesu zu sein. Dieser Vorwurf, der ursprünglich von einem kam, konnte von anderen aufgegriffen worden sein. Lukas hat die Zeitangabe „wenig später“ durch „etwa eine Stunde später“ genauer dargelegt.
Johannes schreibt nichts über die Sprache, aber darüber, dass es sich um einen Knecht des Hohenpriesters handelte, dessen Verwandten Malchus (Johannes 18,10) Petrus bei der Verhaftung im Garten das Ohr abgeschlagen hatte. Offensichtlich hatte Johannes eine zusätzliche Quelle. Die Nennung des Namens „Malchus“ könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieser später ein Jünger Jesu geworden ist. Dieser Malchus konnte dann Johannes die Information mitgeteilt haben, dass der Mann, dem gegenüber Petrus Jesus das dritte Mal verleugnet hat, sein Verwandter war.
Beide Hinweise, sowohl dass Petrus auch bei der Verhaftung im Garten dabei war, als auch dass er ein Galiläer war, könnten gefallen sein. Johannes, der zumindest eines der synoptischen Evangelien gekannt hatte, hat die synoptische Darstellung durch eine Zusatzinformation ergänzt. Möglicherweise hat der Knecht des Hohenpriesters beides gesagt. Es könnte aber auch so gewesen sein, dass beide Vorwürfe von unterschiedlichen Personen in derselben Situation gemacht wurden. Petrus hätte auf beide Vorwürfe mit seiner dritten Verleugnung reagiert.
Eine wertvolle Information liefert Lukas in 22,61a:
Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an.
Jesus wurde nach dem Vorverhör bei Hannas, dem Schwiegervater des amtierenden Hohepriesters Kajaphas durch den Hof zu Kajaphas geschickt (Johannes 18,24). Gerade nachdem Petrus Jesus das dritte Mal verleugnet hatte, kam Jesus an Petrus vorbei und blickte ihn an. Dadurch wurde sich Petrus seiner Sünde bewusst.
Dieser Vergleich zeigt, dass die Berichte der vier Evangelien, auch wenn sie in Teilen unterschiedlich über die Verleugnung durch Petrus schreiben, durchaus harmonisiert werden können. Die Evangelienschreiber haben nicht einfach voneinander kopiert, sondern haben unabhängig voneinander geschrieben. Johannes, der zum Teil Augenzeuge war und eine Sonderinformation hatte, hat die synoptische Darstellung ergänzt. Die Evangelien sind glaubwürdig.
Aus den Berichten über die Verleugnung Jesu durch Petrus können wir auch die große Gnade Gottes sehen, die er Petrus trotz seiner Sünde geschenkt hat, weil er von seiner Sünde tief umgekehrt ist. Trotz der dreifachen Verleugnung hat Jesus Petrus wieder die Aufgabe anvertraut, seine Schafe zu weiden. Der dreifache Auftrag, dieses zu tun (Johannes 21,15-17) hat nichts mit dem Papsttum zu tun, sondern mit dem Vertrauen, das Jesus Petrus nach seiner Sünde wieder geschenkt hat. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber habt ihr euch hingewandt zum Hirten und Hüter eurer Seelen. (1 Petrus 2,25)