Dies sprach Jesus. Und er erhob seine Augen zum Himmel und sagte: Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht! (Johannes 17,1)
Im Evangelium lesen wir mehrfach, dass Jesus beim Gebet seine Augen zum Himmel erhob. Er tat das nicht nur beim letzten Gebet im Kreis seiner Jünger. Auch vor der ersten Brotvermehrung heißt es:
Dann ordnete er an, die Leute sollten sich ins Gras setzen. Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten […] (Matthäus 14,19; vergleiche Markus 6,41; Lukas 9,16)
Ebenso war es vor der Auferweckung des Lazarus:
Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. (Johannes 11,41)
In diesen Texten wird der Blick Jesu nach oben ausdrücklich erwähnt. Das heißt aber nicht, dass Jesus nur in diesen Situationen beim Gebet zum Himmel geblickt hat.
Jesus hat dadurch seine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Vater zum Ausdruck gebracht, mit dem er während seines ganzen Lebens auf dieser Erde untrennbar verbunden war.
Zwar ist der unendliche und allgegenwärtige Gott nicht „oben“ lokalisierbar (vergleiche Psalm 139,5-10). Aber in der biblischen Sprache steht der Himmel für den Bereich Gottes. Der Blick nach oben drückt die innere Ausrichtung auf Gott aus.
Auch im Alten Testament finden wir den Aufblick zu Gott als die Haltung des vertrauensvollen Gebets.
Ich erhebe meine Augen zu dir, der du thronst im Himmel. 2 Siehe, wie die Augen der Knechte auf die Hand ihres Herrn, wie die Augen der Magd auf die Hand ihrer Herrin, so sind unsere Augen erhoben zum HERRN, unserem Gott, bis er uns gnädig ist. (Psalm 123,1-2)
Doch auf dich, GOTT und Herr, richten sich meine Augen, bei dir habe ich mich geborgen, gieße nicht aus mein Leben! (Psalm 141,8)
Meine Augen schauen stets auf den HERRN; denn er befreit meine Füße aus dem Netz. (Psalm 25,15)
5 Ich suchte den HERRN und er gab mir Antwort, er hat mich all meinen Ängsten entrissen. 6 Die auf ihn blickten, werden strahlen, nie soll ihr Angesicht vor Scham erröten. (Psalm 34,5-6)
Im Neuen Testament werden wir zum Aufblicken auf Jesus ermuntert:
1 Darum wollen auch wir, die wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, alle Last und die Sünde abwerfen, die uns so leicht umstrickt. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, 2 und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt. 3 Richtet also eure Aufmerksamkeit auf den, der solche Anfeindung von Seiten der Sünder gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermattet und mutlos werdet! (Hebräer 12,1-3)
Wenn der Zöllner im von Jesus erzählten Gleichnis nicht die Augen zum Himmel aufheben wollte, drückte das seine Traurigkeit über seine Sünden und seinen Willen zur Umkehr aus.
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! (Lukas 18,13)
Die Folge der Umkehr ist, dass Gott uns als seine Kinder annimmt, sodass wir unseren Blick frei zu ihm erheben dürfen.
Wir alle aber schauen mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn. (2 Korinther 3,18)
Diesen Freimut in der Beziehung zu Gott kennt der Islam nicht. In einer Fatwa (einer islamischen Rechtsauskunft) heißt es:
Dem Betenden ist es nicht erlaubt, den Kopf Richtung Himmel zu heben. Vielmehr ist es nach den meisten Gelehrten notwendig, den Blick auf den Punkt der Niederwerfung zu richten. […]
Der hanafitische Gelehrte Al-Kâsânî schreibt in „Badâi As-Sanâi“: „Der Blick soll auf die Stelle der Niederwerfung gerichtet werden. At-Tahâwî erklärte dies in seinem „Muchtasar“: ‚Im Stehen blickt man dorthin, wo man sich niederwerfen wird. Im Rukû schaut man auf die Zehenspitzen, und im Sudschûd auf die Nasenspitze. Im Sitzen blickt man auf den Schoß. All dies ist nämlich Ehrerbietung und Demut.‘“ […]
Verboten ist es nur, im Gebet den Blick nach oben in den Himmel zu heben, denn es wurde uns nicht geboten, als Gebetsrichtung in den Himmel zu schauen, sondern in Richtung der Ka‘ba. Wenn man den Blick hebt, so ist dies eine Abwendung von der Richtung, die er uns aufgetragen hat. […]
Aus dieser Vorschrift können wir nicht nur sehen, dass Muslimen die kleinsten Details ihres Verhaltens beim Ritualgebet vorgegeben sind. Sie zeigt auch, dass dieses Ritualgebet nicht Ausdruck einer vertrauensvollen Beziehung zu Gott ist, der uns wie ein Vater liebt. Ebenso wird dadurch offensichtlich, dass die wiederholte Behauptung, dass Jesus wie ein Muslim gebetet habe, eine Propagandalüge ist.
Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. (2 Korinther 3,17)