Haben die Weisen Jesus angebetet und ihm Gaben geopfert?

[…] und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. (Matthäus 2,11 – Luther 2017)

Und als sie in das Haus gekommen waren, sahen sie das Kind mit Maria, seiner Mutter, und sie fielen nieder und huldigten ihm, und sie öffneten ihre Schätze und opferten ihm Gaben: Gold und Weihrauch und Myrrhe. (Matthäus 2,11 – Elberfelder 2006)

Auf welche Weise haben die Sterndeuter aus dem Osten, die sich auf der Suche nach dem neugeborenen König der Juden nach Israel begeben hatten, Jesus verehrt?

In vielen älteren Übersetzungen, so auch noch in der neuesten Version der Lutherbibel, steht das Wort „anbeten“. Die Elberfelder Bibel verwendet das Wort „huldigen“, erwähnt aber in der Fußnote als alternative Übersetzung „anbeten“. Bei der Darbringung der Gaben lesen wir in der Elberfelder Bibel das Wort „opfern“, das auf eine göttliche Verehrung des Kindes hindeutet. In der Lutherbibel ist nur vom „Schenken“ die Rede.

Die Einheitsübersetzung 2016 bietet einen Text, der wohl am ehesten der Intention der Weisen entspricht:

Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

Das hier verwendete Wort „darbringen“ kann zwar auch im Sinne von „opfern“ verstanden werden, kann aber auch im Sinne von „schenken“ oder als das Überreichen einer Gabe an einen König verstanden werden.

Die Weisen haben Jesus als dem kommenden König der Juden gehuldigt. Vermutlich wussten sie etwas über die jüdische Messiaserwartung und hatten die Hoffnung, dass die Herrschaft des künftigen Königs der Juden auch für die anderen Völker segensreich sein werde. Es kann von ihnen nicht erwartet werden, dass sie etwas über die göttliche Natur des Messias wussten. Sie haben Jesus als dem König Israels gehuldigt und ihm als Ausdruck ihrer Huldigung Geschenke gebracht.

Man könnte den Weihrauch, der sich unter den Gaben befand, als Hinweis auf die Gottheit Jesu sehen. Tatsächlich war die in Exodus 30,34-38 beschriebene Mischung von Weihrauch mit anderen Kräutern allein für die Verehrung Gottes reserviert. Doch fand außerhalb Israels Weihrauch auch im Herrscherkult Anwendung. So muss die Erwähnung von Weihrauch nicht als Ausdruck der Verehrung Jesu als Gott verstanden werden.

Die von Matthäus verwendeten Wörter προσκυνέω / proskynéō („huldigen, anbeten“) und προσφέρω / prosphérō („herzubringen, darbringen, opfern“) lassen unterschiedliche Deutungen zu.

Das Verb proskynéō wird im Neuen Testament öfters im Sinne von „anbeten“ verwendet. Jesus sagte zum Versucher:

Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen. (Matthäus 4,10)

Wenn die Frauen und die Jünger nach der Auferstehung Jesu vor ihm niederfielen (im Griechischen proskynéō) , dann geht es um mehr als nur die Huldigung, die ihm als dem Messias gebührt.

9 Und siehe, Jesus kam ihnen entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße. (Matthäus 28,9)

Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. (Matthäus 28,17)

Sie haben mit ihrer Handlung dasselbe ausgedrückt, was Thomas mit seinen Worten tat:

Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! (Johannes 20,28)

Auch prosphérō wird öfters in der Bedeutung „darbringen (eines Opfers)“ gebraucht, z. B.:

23 Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, 24 so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe! (Matthäus 5,23-24)

[…] sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Opfer dar, das Mose angeordnet hat – ihnen zum Zeugnis! (Matthäus 8,4b)

[…] damit für jeden von ihnen das Opfer dargebracht werde. (Apostelgeschichte 21,26c)

Denn jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen. (Hebräer 5,1)

Wenn Matthäus in seiner Darstellung Wörter gewählt hat, die sowohl „huldigen“ bzw. „geben, schenken“ als auch „anbeten“ bzw. „opfern“ bedeuten können, hat er einerseits das Handeln der Weisen, die Jesus als dem König Israels gehuldigt haben, historisch korrekt dargestellt, andererseits durch seine Wortwahl eine Interpretation offengelassen, die seine eigene Erkenntnis der Gottheit Jesu Christi widerspiegelte. Die Weisen aus dem Osten hatten diese Erkenntnis noch nicht. Doch Matthäus und alle anderen Jünger hatten sie aus den Worten und den Taten des Messias, die von Gott durch die Auferstehung Jesu bestätigt worden ist, gewonnen. Auch wir dürfen Jesus in Anbetung dienen und ihm unser Leben als Dankopfer darbringen.

9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9-11)

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