Wollte Johannes einen Engel anbeten?

Und ich fiel ihm zu Füßen, um ihn anzubeten. Er aber sagte zu mir: Tu das nicht! Ich bin ein Mitknecht wie du und deine Brüder, die das Zeugnis Jesu festhalten. Gott bete an! Das Zeugnis Jesu ist der Geist prophetischer Rede. (Offenbarung 19,10)

8 Ich, Johannes, habe dies gehört und gesehen. Und als ich es hörte und sah, fiel ich dem Engel, der mir dies gezeigt hatte, zu Füßen, um ihn anzubeten. 9 Da sagte er zu mir: Tu das nicht! Ich bin nur ein Mitknecht wie du und deine Brüder, die Propheten, und wie alle, die sich an die Worte dieses Buches halten. Gott bete an!
(Offenbarung 22,8-9)

Zweimal schreibt Johannes, dass er einem himmlischen Wesen zu Füßen fiel, um es anzubeten. In Kapitel 19 steht nicht ausdrücklich, dass es sich um einen Engel handelte. In Vers 9 ist nur von „jemand“ die Rede. Doch geht es im Zusammenhang um eine Vision, die den Himmel betraf.

Sollen wir annehmen, dass Johannes, der diese Vision empfangen hatte, tatsächlich außer Gott noch jemanden anbeten wollte? Noch dazu gleich zweimal?

Johannes hatte als Jude von Kind auf den Monotheismus zutiefst verinnerlicht. Es war seine tiefste Überzeugung, dass allein Gott angebetet werden darf. Wäre er kein treuer Diener des wahren Gottes gewesen, hätte ihn Gott nicht gewürdigt, die Visionen der Offenbarung zu empfangen.

Ich sehe zwei Erklärungsmöglichkeiten.

  • Johannes wollte den Engel nicht wirklich anbeten. Er war aber von der Größe der Vision so überwältigt, dass er dem Engel zu Füßen fiel, um ihn zu verehren, aber nicht mit der einzig Gott gebührenden Ehre, die ihm durch Anbetung gegeben wird. In diesem Fall müsste man das griechische Wort προσκυνέω / proskynéō in einem abgeschwächten Sinn verstehen. Dieses Wort wurde auch für die Huldigung von Königen oder anderen hochgestellten Personen verwendet. Wenn die Weisen aus dem Osten in Matthäus 2,11 dem Jesusknaben huldigten, dann erwiesen sie ihm als dem König der Juden die ihm gebührende Ehre. Sie haben ihn aber nicht als Gott angebetet. Dieser Gedanke war ihnen damals ferne. Oder als Kornelius, der an einen einzigen Gott glaubte, sich in Apostelgeschichte 10,25 Petrus zu Füßen warf (auch dort steht im Griechischen proskynéō), wollte er ihn als einen Boten Gottes ehren. Doch hat Petrus diese Art der Verehrung sofort zurückgewiesen (Apostelgeschichte 10,26).
    Bei dieser Erklärung gibt es das Problem, dass Johannes, nachdem ihm bereits einmal gesagt wurde, es nicht zu tun, dann noch ein zweites Mal vor einem Engel niederfällt.
  • Die andere Erklärung besteht darin, dass Johannes nicht vor dem Engel niedergefallen ist, sondern dass diese Verse nur literarisch zu verstehen sind. Johannes wollte darauf hinweisen, dass auch himmlische Wesen nicht angebetet werden dürfen. Diese Ehre gebührt einzig und allein Gott.
    Vielleicht sollte das auch eine Stärkung für verfolgte Christen sein, von denen in einer kommenden Verfolgung verlangt werden würde, den Kaiser anzubeten. Wenn man nicht einmal mächtige himmlische Wesen anbeten darf, um wie viel weniger einen sterblichen irdischen Machthaber, der in seinem Hochmut göttliche Verehrung verlangt!

Auf jeden Fall zeigen diese Stellen deutlich, dass für Christen klar sein muss, dass nur Gott angebetet werden darf.

Die Engel in der Offenbarung haben ebenso wie Petrus in Apostelgeschichte 10,26 die durch das Wort proskynéō ausgedrückte Verehrung nicht akzeptiert, sondern zurückgewiesen. Jesus hat nach seiner Auferstehung akzeptiert, dass ihm die Frauen und die Jünger zu Füßen fielen und ihm diese Ehre gegeben haben.

Und siehe da: Jesus kam ihnen entgegen und sprach: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, umfassten seine Füße und warfen sich vor ihm nieder. (Matthäus 28,9 – Zürcher 2007)

Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. (Matthäus 28,17)

Sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. (Lukas 24,52)

In diesen Stellen steht im Griechischen für das „Niederfallen“ das Wort proskynéō. Jesus hat diese Verehrung akzeptiert und nicht (wie Petrus und die Engel es getan haben) zurückgewiesen. Diese Jünger haben dadurch dasselbe ausgedrückt, was Thomas zuvor mit seinen Worten gesagt hat:

Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! (Johannes 20,28)

Engeln und Aposteln gebührt diese Verehrung nicht. Sie gebührt aber Jesus Christus, dem ewigen Sohn Gottes, der für uns Mensch geworden ist. Er ist Gott und ist es wert, von uns angebetet zu werden.

Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in die Welt einführt, sagt er: Alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen. (Hebräer 1,6)

Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. (Lukas 4,8)

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