Der Kindermord des Pharaos im Koran

Die Erzählung über den Befehl des Pharaos, die Söhne der Israeliten zu töten, die wir in Exodus 1,15-22 finden, können wir im Koran mehrfach in einer gekürzten Form lesen. Ich zitiere die einzelnen Stellen in der vermuteten chronologischen Reihenfolge ihrer Entstehung.

Und (gedenkt,) als Wir euch vor den Leuten Firʿauns retteten, als sie euch eine böse Qual auferlegten, indem sie eure Söhne allesamt töteten und (nur) eure Frauen am Leben ließen. Darin war für euch eine gewaltige Prüfung von eurem Herrn. (Sure 7,141)

Im größeren Zusammenhang geht es um Mose und den Pharao und die Rettung der Kinder Israel. Doch scheint der Verfasser dieser Sure nicht besonders auf die zeitliche Reihenfolge geachtet zu haben. In Vers 138 geht es um den Auszug durch das Meer und die Bitte der Israeliten um einen Götzen und in den Versen 139-140 um die Antwort Moses darauf. Ab Vers 142 geht es wieder um Mose, der mit Allah eine „Verabredung“ auf vierzig Nächte im Zusammenhang mit der Gesetzgebung hatte. Vers 141 muss man als zeitliche Rückblende auf die Zeit in Ägypten verstehen, ohne dass gesagt wird, unter welchen Umständen der Pharao die Söhne töten ließ.

Gewiß, Firʿaun zeigte sich überheblich im Land und machte seine Bewohner zu Lagern, von denen er einen Teil unterdrückte, indem er ihre Söhne abschlachtete und (nur) ihre Frauen am Leben ließ. Gewiß, er gehörte zu den Unheilstiftern. (Sure 28,4)

Hier ist die Einordnung chronologisch korrekt. Es geht um die Unterdrückung vor der Geburt Moses.

23 Und Wir sandten bereits Mūsā mit Unseren Zeichen und mit einer deutlichen Ermächtigung 24 zu Firʿaun und Hāmān und Qārūn. Sie aber sagten: „Ein verlogener Zauberer.“ 25 Als er ihnen nun die Wahrheit von Uns brachte, sagten sie: „Tötet die Söhne derjenigen, die mit ihm glauben, und laßt (nur) ihre Frauen am Leben.“ Aber die List der Ungläubigen geht bestimmt verloren. (Sure 40,23-25)

In Sure 40 steht der Befehl zur Tötung der Söhne in einem ganz anderen Zusammenhang. Mose wurde zum Pharao gesandt, der mit Haman und Qārūn, der üblicherweise mit dem biblischen Korach gleichgesetzt wird, zusammen war. In der Bibel wurde Mose zum Pharao gesandt, um den Auszug der Israeliten zu erwirken. Davon ist an dieser Stelle keine Rede. Es sieht eher danach aus, dass Mose in missionarischer Absicht zum Pharao und seinen Begleitern gekommen ist. Darauf folgte ihr Befehl, die Söhne zu töten. Interessant ist, dass auch der Israelit Korach für diese Anordnung mitverantwortlich war.

Und als Mūsā zu seinem Volk sagte: „Gedenkt der Gunst Allahs an euch, als Er euch vor den Leuten Firʿauns rettete, die euch eine böse Qual auferlegten, eure Söhne abschlachteten und (nur) eure Frauen am Leben ließen. Seht, darin war für euch eine gewaltige Prüfung von eurem Herrn. (Sure 14,6)

Hier geht es um eine Rede Moses an sein Volk. Er erinnert sie an die Rettung vor den Leuten des Pharaos. Wann diese die Söhne abschlachten ließen, wird nicht gesagt. War es bereits vor der Geburt Moses (wie in der Bibel und in Sure 28) oder war es, nachdem Mose zum Pharao gekommen war (wie in Sure 40)?

Und (gedenkt,) als Wir euch von den Leuten Firʿauns erretteten, die euch eine böse Qual auferlegten, indem sie eure Söhne allesamt abschlachteten und (nur) eure Frauen am Leben ließen. Darin war für euch eine gewaltige Prüfung von eurem Herrn. (Sure 2,49)

Der Zusammenhang ist eine Rede Allahs an die Kinder Israels, die in Vers 40 beginnt. In Vers 47 werden die Kinder Israels nochmals direkt angesprochen. Diese Worte richten sich an die jüdischen Zeitgenossen Mohammeds. Diese werden an die göttlichen Gnadenerweise an ihre Vorfahren zur Zeit Moses erinnert. In Vers 50 geht es um die Rettung durch das Meer, in Vers 51 um die vierzig Tage, die Mose mit Gott „verabredet“ war und das Kalb, das die Israeliten machten. Ein Leser, der den biblischen Hintergrund kennt, nimmt an, dass es sich um die Situation vor der Geburt Moses handeln muss. Für einen Leser, der nur den Koran kennt, ist das nicht so klar, da der Koran diesen mörderischen Befehl in Sure 40 in einem späteren Zusammenhang verlegt.

Der Befehl Pharaos, die Söhne der Israeliten zu töten, muss für die Verfasser des Korans bedeutsam gewesen sein. Sonst wäre er nicht fünfmal erwähnt worden. An allen diesen Stellen des Korans geht es um das Töten oder Abschlachten der Söhne und darum, dass die Frauen am Leben gelassen werden. Ohne Kenntnis der biblischen Darstellung, wo es um das Töten der Säuglinge nach der Geburt geht, würde man bei den koranischen Texten denken, dass es um erwachsene Söhne geht, da ja auch von Frauen und nicht von Mädchen die Rede ist. Nur in Sure 28 kann man aus dem weiteren Zusammenhang, in dem es in den Versen 7-13 um die Rettung des Säuglings Mose geht, erahnen, dass beim Tötungsbefehl des Pharaos die Neugeborenen gemeint waren. Ohne Bibel würde man diese Koranstellen sehr leicht missverstehen.

Dass der Befehl des Pharaos in zwei verschiedenen Situationen berichtet wird, deutet mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass hier mindestens zwei verschiedene Autoren am Werk waren. Falls es nur ein Autor gewesen sein sollte, muss es ein vergesslicher Mensch gewesen sein, der sich beim Verfassen der 40. Sure nicht mehr an das erinnern konnte, was er in der 28. Sure gesagt oder geschrieben hat. Überdies steht die Sure 40 auch in einem offensichtlichen Widerspruch zum Text der Bibel. Wieder einmal ein Hinweis darauf, dass der Koran Menschenwerk ist, keinesfalls aber das ewige unabänderliche Wort Gottes.

Denken sie denn nicht sorgfältig über den Qur’an nach? Wenn er von jemand anderem wäre als von Allah, würden sie in ihm wahrlich viel Widerspruch finden.
(Sure 4,82)

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