Versöhnung für die Sünden der ganzen Welt

Und er selbst ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.
(1 Johannes 2,2 – Luther 2017)

In diesem Vers schreibt Johannes, dass Jesus die Versöhnung für die ganze Welt gebracht hat. Das bedeutet nicht, dass alle die Versöhnung, die ihnen Jesus anbietet, auch annehmen. Aber er will, dass alle Menschen gerettet werden (1 Timotheus 2,4). Jesus hat das Geschenk der Erlösung bewirkt. Es liegt am Menschen, dieses Geschenk der Versöhnung mit dem Vater auch anzunehmen.

Da der Calvinismus das Konzept der „begrenzten Versöhnung“ lehrt, das dieser Stelle aus dem 1. Johannesbrief entgegensteht, habe ich gesucht, wie Calvin 1 Johannes 2,2 erklärt. In seinem Kommentar zum 1. Johannesbrief schreibt er:

Nicht allein für die unsern usw. Dies fügt der Apostel hinzu, damit die Gläubigen fest überzeugt seien, die Sühne, die Christus zustande gebracht, erstrecke sich auf alle, die das Evangelium im Glauben ergriffen haben. Hier entsteht die Frage, wie die Sünden der ganzen Welt gesühnt werden. Ich übergehe die wahnwitzige Ansicht derer, die auf Grund solcher Stellen alle Verworfenen und sogar den Satan selbst zum Heil gelangen lassen. Solche Ungeheuerlichkeit bedarf keiner Widerlegung. Die solche Torheit vermeiden wollten, haben gesagt, das Leiden Christi sei genugsam für die ganze Welt, werde aber bloß für die Auserwählten wirksam. Diese Erklärung ist ziemlich allgemein angenommen. Ich gestehe, dass dieser Gedanke an sich wahr ist, behaupte aber, dass er zu dieser Stelle nicht passt. Die Absicht des Johannes war keine andere, als der ganzen Gemeinde dies Gut der Sühne zuzusprechen. Also schließt er in den Ausdruck „ganze Welt“ die Verworfenen nicht mit ein, vielmehr bezeichnet er damit die, die einmal gläubig werden sollten und die durch die ganze Welt zerstreut sind. Dann wird die Gnade Christi in das rechte Licht gestellt, wenn gepredigt wird, dass es für die Welt nur ein Heil gebe.

Mit der Zurückweisung der „wahnwitzigen Ansicht“ der Allversöhnung, nämlich dass alle Menschen auch ohne Umkehr gerettet werden, hat er natürlich recht.

Calvin stimmt sogar der Ansicht zu, dass „das Leiden Christi genugsam für die ganze Welt sei, aber bloß für die Auserwählten wirksam werde“. Damit würde er dem erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod auf der Synode von Dordrecht 1619 festgelegten Glaubenssatz von der „begrenzten Versöhnung“ widersprechen.

Doch korrigiert er sich danach und stellt ausdrücklich fest, dass im Ausdruck „die ganze Welt“ die Verworfenen nicht eingeschlossen sind. Die Verworfenen sind nach seiner Lehre diejenigen, die von Gott nicht erwählt wurden und denen Gott keine Gnade schenkt. Mit der „ganzen Welt“ sind die gemeint, „die einmal gläubig werden sollten und die durch die ganze Welt zerstreut sind“. Ein Vertreter der Lehre der Vorherbestimmung hat kaum eine andere Wahl, als diese Stelle so zu erklären.

Doch hat Johannes das wirklich so gemeint?

In Vers 1 schreibt er:

Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten.

Diese ermunternden Worte betreffen alle Christen, nicht nur die Empfänger des Briefes. „Wir haben einen Beistand beim Vater.“ Das gilt für alle, die an Jesus glauben und ihm nachfolgen. Die Fortsetzung im Vers 2, dass Jesus die Versöhnung für „unsere“ Sünden ist, ist genauso eine Aussage, die alle (gegenwärtigen und zukünftigen) Christen betrifft. Es wird wohl niemand gedacht haben, dass die Versöhnung durch Jesus nur für die Gemeinde gilt, der Johannes geschrieben hat. Wenn Johannes anschließend von der „ganzen Welt“ schreibt, muss das offensichtlich über den Kreis der Nachfolger Jesu hinausgehen.

Johannes verwendet das Wort „Welt“ in sehr unterschiedlicher Weise. Die „Welt“ kann den Bereich der Gottlosigkeit bedeuten, wie z. B. in 1 Johannes 2,15-17, wo Johannes vor der Liebe zur Welt warnt. Es kann aber auch die von Gott geliebte Menschheit meinen, die gegen ihren Schöpfer rebelliert hat und zu deren Rettung er aus seiner Liebe heraus seinen einzigen Sohn hingegeben hat.

Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Johannes 3,16)

Gott hat die ganze Welt geliebt und seinen Sohn für sie hingegeben. Das ewige Leben empfängt aber nur jeder, der an ihn glaubt.

Mir ist keine Stelle im Neuen Testament bekannt, wo sich das Wort „Welt“ ausschließlich auf die Gläubigen bezieht. Oft steht es geradezu im Gegensatz zu den Gläubigen. Nur wenn jemand der Lehre der Vorherbestimmung anhängt, kann er gar nicht anders als die Stellen, die von Gottes Liebe zur Welt oder der Rettung der Welt (Johannes 4,42; 1 Johannes 4,14) sprechen, so zu erklären, dass an diesen Stellen nur die Prädestinierten gemeint sind.

Ehrlicher wäre es aber, die eigene Lehre zu hinterfragen, als die Bibel an seine Lehre anzupassen.

Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. (Johannes 3,17)

Dafür arbeiten und kämpfen wir, denn wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, den Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen. (1 Timotheus 4,10)

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