Gog und Magog im Koran

92 Hierauf verfolgte er einen Weg, 93 bis, als er den Ort zwischen den beiden Bergen erreichte, er diesseits von ihnen ein Volk fand, das beinahe kein Wort verstand. 94 Sie sagten: „O Ḏū ʾl-Qarnain, Yaʾğūğ und Maʾğūğ stiften Unheil auf der Erde. Sollen wir dir eine Gebühr dafür aussetzen, daß du zwischen uns und ihnen eine Sperrmauer errichtest?“ 95 Er sagte: „Was mir mein Herr an fester Stellung verliehen hat, ist besser (als eure Gebühr). Doch helft mir mit (eurer Arbeits)kraft, damit ich zwischen euch und ihnen einen aufgeschütteten Wall errichte. 96 Bringt mir die Eisenstücke.“ Als er nun zwischen den beiden Berghängen gleich hoch (aufgeschüttet) hatte, sagte er: „Blast (jetzt).“ Als er es zum Glühen gebracht hatte, sagte er: „Bringt mir, damit ich (es) darüber gieße, geschmolzenes Kupfer.“ 97 So konnten sie ihn weder überwinden, noch konnten sie ihn durchbrechen. 98 Er sagte: „Das ist eine Barmherzigkeit von meinem Herrn. Wenn dann das Versprechen meines Herrn eintrifft, läßt Er ihn in sich zusammensinken; und das Versprechen meines Herrn ist wahr.“ 99 Wir lassen die einen von ihnen an jenem Tag wie Wogen unter die anderen geraten, und es wird ins Horn geblasen. Dann versammeln Wir sie vollständig. (Sure 18,92-99)

95 Und verboten ist es für (die Bewohner) eine(r jeden) Stadt, die Wir vernichteten, daß sie (ins Diesseits) zurückkehren, 96 bis die (Sperrmauer von) Yaʾğūğ und Maʾğūğ geöffnet wird und sie von jeder Anhöhe schnell herbeilaufen 97 und das wahre Versprechen nahegerückt ist, dann werden sogleich die Blicke derjenigen, die ungläubig sind, starr werden: „O wehe uns! Wir waren dessen ja unachtsam. Nein! Vielmehr pflegten wir Unrecht zu tun.“
(Sure 21,95-97)

Yaʾğūğ und Maʾğūğ sind die koranische Variante von Gog und Magog. In der Bibel stehen Gog im Land Magog (Ezechiel 3839) bzw. Gog und Magog (Offenbarung 20,8) für zukünftig auftretende Feinde Gottes und seines Volkes.

Der Koran aber berichtet über sie im Zusammenhang mit den Taten von Ḏū ʾl-Qarnain, dem Zweigehörnten. Dieser wird meist mit Alexander dem Großen gleichgesetzt.

Der Tafsīr Al-Qur’ān Al-Karīm schreibt dazu auf Seite 486:

Gemeint ist der Byzantiner Alexander, König von Persien und Byzanz. Man bezeichnet ihn auch als König des Ostens und des Westens und hat ihm daher den Namen „Ḏu-l-Qarnain“ (der mit den zwei Hörnern) gegeben. Oder man hat ihn so benannt, weil er die beiden Hörner der Erde, nämlich deren Osten und Westen durchstreift hat, oder weil zu seinen Lebzeiten zwei Generationen (Qarnān) von Menschen dahingegangen sind, oder weil er zwei Hörner, das heißt zwei Zöpfe, hatte, oder weil seine Krone zwei Hörner hatte. Es ist auch möglich, dass man ihm diesen Beinamen wegen seiner Tapferkeit gegeben hat, wie man ja den Tapferen einen Widder nennt, weil er gleichsam seine Gegner stößt. Man ist sich darüber uneinig, ob Alexander ein Prophet war, darüber jedoch einig, dass er gläubig und rechtschaffen war.

Der historische Alexander der Große war König von Makedonien und hat Persien erobert. Byzanz blieb während seiner Herrschaft selbständig. Er ist jung gestorben. Zu seinen Lebzeiten sind keine zwei Generationen dahingegangen. Er wurde bereits in der Antike auf Münzen mit Hörnern dargestellt (z. B.: hier). Er war ein Heide, der viele Götter verehrt hat. Keinesfalls war er Monotheist. Daher erübrigt sich die Diskussion, ob er ein Prophet oder nur gläubig war.

Dieser Held hat dem Koran zufolge einem Volk, das von Gog und Magog bedroht war, geholfen. Er hat eine so hohe und starke Mauer erbaut, die von den Feinden nicht überwunden werden konnte.

Nach Sure 21,96 wird diese Mauer jedoch am Ende der Zeiten geöffnet werden. Der Zusammenhang scheint die Auferstehung und das Endgericht zu sein, weil die Bewohner einer Stadt wieder (ins Diesseits) zurückkehren. Hier erscheinen Gog und Magog ähnlich wie in der Bibel in einem eschatologischen Zusammenhang.

Wenn der vom Zweigehörnten gebaute Wall bis zum Ende der Zeiten existiert, müsste es dieses große Bauwerk auch heute noch geben, da sich ja Gog und Magog bis zur erst kommenden Öffnung des Walls dahinter befinden. Es ist erstaunlich, dass er bisher von den Geografen nicht bemerkt wurde und auch von den Satelliten nicht gesichtet worden ist.

Das Portal corpuscoranicum.de weist im Zusammenhang mit Sure 18 auf das Syrische Alexanderlied hin. Dieses wird auf dieser Website auf das frühe 7. Jahrhundert datiert, was zu Lebzeiten Mohammeds gewesen wäre. In den meisten Handschriften wird es Jakob von Sarug, gestorben 521, zugeschrieben. In diesem Alexanderlied heißt es:

(236) Der König sprach: „Was sind dies für Könige (237) und fürchterliche Völker jenseits dieses Gebirges?“ (238) Die Ältesten sprachen: „Hören Sie, Herr König, und wir werden Ihnen Bescheid sagen. (239) Die Agogiten und Magogiten (wohnen) jenseits von uns, (240) fürchterlich von Aussehen, hässlich von Gestalt in allen Lebensaltern. (241) Mehr als sechs bis sieben Ellen gross ist jeder von ihnen, (242) und ihre Nasen sind beschmiert und ihre Stirnen hässlich. (243) In Blut baden sie und in Blut waschen sie auch ihre Köpfe, (244) und Blut trinken sie und sie essen Menschenfleisch. (245) Sie ziehen Felle an, schärfen Waffen und sinnen auf Zorn (246) und sind härter und gewaltiger als alle Völker und ihre Kriege. (247) Und wo der Zorn des Herrn aufsteigt, da sendet er sie hin. (248) Sie verheeren die Erde und zerstören die Berge und essen Menschen“. (249) Darauf wurde der Sohn des Philipp mit Ekel erfüllt, als er solches hörte, (250) und er war darüber sehr erstaunt, sehr lange Zeit. (251) Allmählich lernte er alles wonach er gefragt hatte, kennen, und er fasste den Plan, dort ein grosses Tor zu bauen. (253) Er füllte seinen Geist mit allen geistlichen Gedanken, (254) als er den Rat empfing von den Ältesten, den Bewohnern des Landes. (255) Er blickte auf das Gebirge, das die ganze Welt umkreist, (256) die große Grenze, die Gott festgesetzt hatte von alters her. (257) Der König sprach: „Wo ziehen die Heerhaufen aus, um das Land (und) das ganze Volk auszuplündern von alters her?“ (259) Sie zeigte ihm, (dass) die Stelle sich mitten in den Bergen befand, (260) eine gerade Strasse, die von Gott hergestellt worden war. (261) Der König blickte staunend auf die gerade Strasse. (262) Und das Gebirge war ausgedehnt und seine Dimensionen waren kolossal an allen Ecken und Enden. (263) Und über demselben sah er Aquädukte und fliessendes Blut (264) und wie Wasserströme strömte es dem Volk entgegen. (265) Er betrachtete es genau in der Absicht, dort ein grosses Tor zu bauen, (266) wundervoll in der ganzen Welt für denjenigen, der sich das anschaut.

Das Alexanderlied unterscheidet sich in einigen Punkten vom koranischen Text. Im Alexanderlied geht es um ein Tor, nicht um eine Mauer. Im Koran bitten die Leute den Zweigehörnten, eine Mauer zu errichten. Im Alexanderlied war es Alexander, der den Plan fasste. Im Koran fehlt auch die fantasievolle und abstoßende Beschreibung der feindlichen Völker.

Das syrische Alexanderlied war daher nicht die direkte Vorlage des Koran. Es zeigt aber, dass dieser Stoff zur Zeit der Entstehung des Korans im syrischen Raum bekannt war. Dem Autor der 18. Sure war dieser Stoff vielleicht nur aus mündlicher Überlieferung bekannt, und er hat ihn im Sinne des Korans bearbeitet.

Klar ist, dass der Koran in diesem Punkt von einer legendenhaften Überlieferung abhängig ist. Die unhistorische Darstellung Alexanders des Großen als Monotheisten ging jedoch nicht auf den koranischen Autor zurück, sondern geschah bereits in der ihm vorliegenden Überlieferung.

Im Alexanderlied ist wiederholt von Gott, nicht von Göttern die Rede. Eine andere Version der syrischen Alexanderlegende berichtet von einer Inschrift, die Alexander auf dem Tor angebracht hat. Auch diese kennt nur einen Gott. Es wird sogar Jeremia 1,14 zitiert. Den Text kann man auf corpuscoranicum.de lesen.

Der Autor der Sure hat die Darstellung Alexanders als eines gläubigen Menschen aus der ihm bekannten Überlieferung übernommen. Offensichtlich hatte er keine Kenntnis über die historische Wahrheit.

Die koranische Darstellung von Gog und Magog und dem Zweigehörnten zeigt, wie sehr der Koran von legendenhaften Überlieferungen abhängig ist. Er ist ein von Menschen geschriebenes fehlerhaftes Werk, keinesfalls das vollkommene unabänderliche ewige Wort Gottes.

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