Yunus / Jona – Kann man den Koran ohne Bibel verstehen?

Das biblische Buch Jona ist zwar kurz, aber trotzdem sehr aufbauend und herausfordernd. Es handelt von einem israelischen Propheten, der von Gott gerufen wird, der Stadt Ninive das Gericht anzukünden. Er flieht vor seinem Auftrag, wird dann ins Meer geworfen, von einem großen Fisch verschluckt. Im Bauche des Fisches betet der Prophet zu Gott. Der Fisch speit Jona an Land. Er geht nach Ninive und verkündet der Stadt das Gericht. Die Niniviten hören auf das Strafgericht und kehren um. Die Stadt wird nicht bestraft. Darüber ist Jona nicht erfreut und wünscht sich den Tod. Am Beispiel eines Rizinusstrauches zeigt Gott dem Propheten seine Sorge um alle Menschen, auch um die ihm feindlich gesinnten Leute aus Ninive. Hier kann dieses Buch gelesen werden.

Der Prophet Jona kommt unter dem Namen Yunus auch im Koran vor. Die 10. Sure trägt sogar seinen Namen, obwohl es in dieser 109 Verse umfassenden Sure nur einen einzigen Vers gibt, in dem es um Jona geht.

Ich habe im Koran folgende Texte gefunden, in denen er vorkommt:

Gewiß, Wir haben dir (Offenbarung) eingegeben, wie Wir Nuh und den Propheten nach ihm (Offenbarung) eingegeben haben. Und Wir haben Ibrahim, Isma’il, Ishaq, Ya’qub, den Stämmen, „Isa, Ayyub, Yunus, Harun und Sulaiman (Offenbarung) eingegeben, und Dawud haben Wir ein Buch der Weisheit gegeben. (4,163)

[…] und lsma’il, Alyasa‘, Yunus und Lut: jeden (von ihnen) haben Wir vor den (anderen) Weltenbewohnern bevorzugt; (6,86)

Wenn doch (irgend)eine Stadt geglaubt hätte, so daß ihr Glaube ihr genützt hätte! (Keine tat es), außer dem Volk des Yunus. Als diese glaubten, hoben Wir die schändliche Strafe im diesseitigen Leben von ihnen auf und gewährten ihnen Nießbrauch auf Zeit. (10,98)

87 Und (auch) dem Mann mit dem Fisch, als er erzürnt wegging. Da meinte er, Wir würden ihm nicht (den Lebensunterhalt) bemessen. Dann rief er in den Finsternissen: „Es gibt keinen Gott außer Dir! Preis sei Dir! Gewiß, ich gehöre zu den Ungerechten.“ 88 Da erhörten Wir ihn und erretteten ihn aus dem Kummer. So retten Wir die Gläubigen. (21,87-88)

139 Auch Yunus gehörte wahrlich zu den Gesandten. 140 Als er zum vollbeladenen Schiff davonlief. 141 Er warf Lose und wurde einer der Unterlegenen. 142 Da verschlang ihn der (große) Fisch“, während er sich Tadel zugezogen hatte. 143 Und hätte er nicht zu denjenigen gehört, die (Allah) preisen, 144 hätte er wahrlich in seinem Bauch verweilt bis zu dem Tag, an dem sie auferweckt werden. 145 Da warfen Wir ihn auf das kahle Land -, und dabei war er krank. 146 Und Wir ließen eine Kürbisstaude über ihm wachsen. 147 Und Wir sandten ihn zu Hunderttausend oder sogar noch mehr. 148 Da glaubten sie, und so gewährten Wir ihnen Nießbrauch auf Zeit. (37,139-148)

48 So sei standhaft in Bezug auf das Urteil deines Herrn‘. Und sei nicht wie der Gefährte des (großen) Fisches, als er voller Gram (zu Allah) rief. 49 Wenn ihn nicht eine Gunst von seinem Herrn rechtzeitig erreicht hätte, wäre er wahrlich auf das kahle Land geworfen worden und hätte sich dabei Vorwürfe zugezogen. 50 Da erwählte ihn sein Herr und machte ihn zu einem der Rechtschaffenen. (68,48-50)

In 4,163 und 6,86 wird Yunus nur namentlich in einer Aufzählung verschiedener Propheten genannt, wobei die Reihenfolge der Namen nicht historisch ist. In den anderen Texten werden nur bestimmte Details aus dem Leben des Propheten erwähnt. Der große Überblick fehlt. Der umfangreichste Text findet sich in Sure 37. Aber auch hier fehlen wesentliche Aspekte, die wir nur aus der Bibel erfahren. Es wird kein Grund genannt, warum er laut Vers 140 davonlief. Es fehlt auch der Hintergrund des in Vers 141 genannten Losewerfens. Weiters wird nicht erwähnt, dass Jona ins Meer geworfen wurde. Das Wachsen der Kürbisstaude, die eigentlich ein Rizinusstrauch war, wird zeitlich falsch vor der Verkündigung in Ninive eingeordnet. Der Name der Stadt wird auch nicht erwähnt.

Vor allem fehlt der Dialog zwischen Gott und Jona, nachdem Gott die Stadt Ninive nicht bestraft hat, der ganz wesentlich zum Verständnis des biblischen Buches und des Propheten ist. Das Buch Jona endet mit einer Frage Gottes an den Propheten. Die Antwort des Propheten wird nicht berichtet. So wird dieses Buch eine Herausforderung an den Leser, wie er mit Gottes Liebe und Barmherzigkeit umgeht, die er jedem Menschen schenken will, der sich zu ihm bekehrt, auch wenn er vorher sein Feind war. Hierin ähnelt das Buch Jona dem Gleichnis Jesu über den verlorenen Sohn in Lukas 15,11-32. Möglicherweise hat der Autor des koranischen Textes gerade diesen Teil nicht verstanden und deswegen weggelassen.

Überdies widersprechen die koranischen Texte einander. Nach 37,145 hat Allah Yunus auf das kahle Land geworfen. Nach 68,49 wäre das nur passiert, wenn ihn nicht rechtzeitig die Gunst seines Herrn erreicht hätte.

In 10,98 ist vom „Volk des Yunus“ die Rede. In Unkenntnis des biblischen Textes müsste man annehmen, dass der Prophet zu seinem eigenen Volk gesandt wurde, also nach allgemeinem Verständnis zum Volk Israel. Doch der Koran erwähnt nicht einmal, dass der Prophet ein Israelit war. Der Punkt, der für den biblischen Propheten Jona so wichtig war, nämlich die Sendung zu einem anderen Volk, zu den Assyrern, die jahrhundertelang die Erzfeinde Israels waren, kommt im Koran nicht vor.

Diese Gedanken mögen zeigen, dass der Koran – angeblich ein vollkommenes Buch – eine sehr unvollkommene Darstellung des Propheten Jona bringt. Die koranische Darstellung wird im vollen Sinne nur verständlich, wenn man den biblischen Text kennt.

Sollte das einen Muslim nicht darauf hinweisen, dass er die Wahrheit dort suchen soll, wo sie Gott zuerst offenbart hat?

Wenn du über das, was Wir zu dir (als Offenbarung) hinabgesandt haben, im Zweifel bist, dann frag diejenigen, die vor dir die Schrift lesen. (Sure 10,94a)

[…] denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen. (Jona 4,2b)

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