Die Erde – ein Straußenei?

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Manchmal erwähnen Muslime als eines der „Wunder des Korans“, dass das Heilige Buch des Islams bereits die Kugelgestalt der Erde erwähnt, obwohl ein analphabetischer Araber des 7. Jahrhunderts das nicht wissen konnte. Nun war die Kugelgestalt der Erde schon mehr als ein Jahrtausend vor Mohammed bekannt, und schon im 3. Jahrhundert v. Chr. hat Eratosthenes bereits den Erdumfang relativ genau berechnet. Hätte Mohammed tatsächlich über den Globus Bescheid gewusst, wäre das nicht notwendigerweise als großes Wunder zu betrachten.

Was sagt Sure 79,30?

Als Belegstelle für dieses Wunder wird Sure 79,30 genannt. Man kann das etwa in diesem Video erfahren. Auch der bekannte Apologet Zakir Naik verwendet dieses Argument.

Da ich nicht Arabisch kann, bin ich auf die Übersetzungen angewiesen. Das habe ich in den mir zugänglichen Übersetzungen gefunden:

Und die Erde, Er hat sie danach hingebreitet. (Bubenheim und Elyas)
Und die Erde, hiernach hat Er sie ausgeweitet. (Ahmad von Denffer)
Und die Erde danach dehnte ER aus. (Amir Zaidan)
Und Er breitete hernach die Erde aus. (Abu Ridda)
Und Er breitete danach die Erde aus. (Adel Khoury)
breitete danach die Erde aus, (Rudi Paret)
Und er breitete hernach die Erde aus. (Max Henning)

Die ersten vier Übersetzungen wurden von Muslimen gemacht, die folgenden drei von Nichtmuslimen. Die Wiedergabe des in Frage stehenden Wortes daḥāhā habe ich mit Fettbuchstaben hervorgehoben. Es herrscht eine bemerkenswerte Übereinstimmung.  Der hauptsächliche Unterschied besteht zwischen „ausdehnen, ausweiten“ und „ausbreiten“. Während „hin-, ausbreiten“ an eine flache Erde denken lässt, kann „ausdehnen“ auch mit einer Kugelform vereinbart werden, würde aber voraussetzen, dass die Erde ursprünglich kleiner war und dann größer wurde. Das entspricht meines Wissens nicht der üblichen Theorie.

Da dieses Wort nur ein einziges Mal im Koran vorkommt, ist ein Vergleich mit anderen Koranstellen nicht möglich. Das Quran Dictionary bietet für dieses Wort die Übersetzung „He spread it“ an.

Auch die alten Kommentare (Tafsire) bieten keine andere Erklärung.

Tafsir al-Jalalayn: and after that He spread out the earth He made it flat for it had been created before the heaven but without having been spread out;

Tanwîr al-Miqbâs min Tafsîr Ibn ‘Abbâs: (And after that He spread the earth) even then He spread it on the water; it is also said: 2,000 years after that He spread it on the water,

Sowohl die derzeit üblichen Koranübersetzungen als auch die alten Erklärungen kennen die Straußenei-Theorie nicht. Im Gegenteil: Die Tafsire scheinen diesen Vers im Rahmen eines Weltbilds mit einer flachen Erde zu erklären. Dieses „Wunder“ des Korans ist der islamischen Tradition offensichtlich unbekannt.

Überdies entspricht der Vergleich mit einem Straußenei nur sehr bedingt der tatsächlichen Form der Erde. Die Abflachung an den Polen ist beim Straußenei nicht gegeben.

Warum ist das wichtig?

Die Suche nach immer neuen „Wundern“ im Koran hängt mit dem islamischen Inspirationsverständnis zusammen. Wenn der Koran das reine Wort Allahs ohne jeden menschlichen Beitrag ist, muss es auch in naturwissenschaftlicher Hinsicht perfekt sein. Eine zeitbedingte Sicht der Dinge hat in diesem vollkommenen Buch keinen Platz. Für einen Christen besteht hingegen kein Problem, wenn ein biblischer Autor auf dem wissenschaftlichen Niveau seiner Zeit geschrieben hat. Gott hat den Propheten und Schreibern der biblischen Schriften durch seinen Geist die geistlichen Wahrheiten, die mit unserem Heil, mit unserer Beziehung zu Gott zusammenhängen, geoffenbart. Zur Erkundung der Natur und des Universums hat Gott dem Menschen den Verstand und den Forschergeist geschenkt. Naturwissenschaft ist kein Inhalt der Inspiration. Deswegen können Christen viel unverkrampfter mit der Bibel umgehen als Muslime mit dem Koran. Es ist nicht nötig, Unvollkommenheiten und zeitbedingte Irrtümer geradebiegen zu wollen oder irgendwelche großartigen Wunder hineinzuinterpretieren. Diese Dinge sind für die Beziehung zu Gott nebensächlich. Gott will, dass wir unser Herz für ihn öffnen. Er will uns helfen, unsere Sünden zu erkennen. Er will uns Umkehr und Freiheit schenken, eine ewige Beziehung zu unserem liebenden Vater.

Zu diesem Ziel hat Gott das größte Wunder gewirkt. Sein ewiger Sohn wurde Mensch, damit er uns ganz nahe sein kann. Er hat sich zu uns heruntergebeugt, um uns zu sich emporzuheben. Dieses große Wunder sollen wir erkennen und uns Gott nahen. Das ist wichtig, und nicht, ob die Erde ein Straußenei ist.

 

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