Schmiedet Schwerter aus euren Pflugscharen und Lanzen aus euren Winzermessern! Der Schwache soll sagen: Ich bin ein Kämpfer.
(Joel 4,10)
Dieses Zitat des Propheten Joel sagt das genaue Gegenteil der Worte der Propheten Micha und Jesaja:
Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. (Jesaja 2,4 // Micha 4,3)
Was will uns Joel damit sagen und welche Stelle setzt die andere voraus?
Bei Joel geht es um einen Krieg, den Israels Feinde gegen Gottes Volk führen.
9 Ruft den Völkern zu: Ruft einen Krieg aus! Lasst eure Kämpfer aufbrechen! Alle Krieger sollen anrücken und heraufziehen. 10 Schmiedet Schwerter aus euren Pflugscharen und Lanzen aus euren Winzermessern! Der Schwache soll sagen: Ich bin ein Kämpfer. 11 Eilt alle herbei, versammelt euch, ihr Völker ringsum! Dorthin führe, HERR, deine Kämpfer hinab! 12 Die Völker sollen aufbrechen und heraufziehen zum Tal Joschafat. Denn dort will ich zu Gericht sitzen über alle Völker ringsum. (Joel 4,9-12)
Die feindlichen Völker werden aufgerufen, in den Krieg gegen Israel zu ziehen. Doch letztlich werden sie besiegt. Gott wird die Völker richten.
Der Aufruf an die Völker, in den Krieg zu ziehen, ist nicht als ernsthafter Aufruf Gottes zu verstehen. Selbst wenn sie alle ihre Kräfte mobilisieren, wenn sie eine Kriegswirtschaft einführen, wenn sie sogar ihre landwirtschaftlichen Geräte zu Waffen umbauen, werden sie im Kampf gegen Gott und sein Volk nicht erfolgreich sein. Am Ende wird Gott der Sieger und ihr Richter sein.
Gott fordert die Nationen nicht zum Kampf gegen ihn und sein Volk auf, sondern er weist auf die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes hin, selbst wenn sie alle ihre Ressourcen mobilisieren und in den Kampf werfen. Der Krieg gegen Gott ist immer vergeblich und zum Scheitern verurteilt.
31 Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? 32 Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden. (Lukas 14,31-32)
Doch weil die Völker sich nicht vor Gott beugen wollen und ihn nicht um Frieden bitten, begeben sie sich in einen aussichtslosen Kampf.
Was Joel in einem für uns nicht mehr vollständig fassbaren zeitgeschichtlichen Zusammenhang geschrieben hat, hat in geistlicher Hinsicht bleibende Bedeutung. Gottes Feinde, die gegen ihn kämpfen, gegen ihn alle ihre Fähigkeiten einsetzen, können nicht anders als scheitern.
Gottes Wille ist, sein Friedensangebot anzunehmen und nicht in den Krieg gegen ihn zu ziehen.
Darum ist auch Jesus in diese Welt gekommen. Er ruft die Menschen, die gegen Gott rebellieren und Krieg führen, zum Frieden und zur Versöhnung mit ihm.
19 Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er ihnen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat. 20 Wir sind also Gesandte an Christi statt und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! (2 Korinther 5,19-20)
Wenn wir die Stellen bei Joel und bei Jesaja bzw. Micha vergleichen, stellt sich die Frage, welcher Prophet früher war. Wer hat das Bild von Schwert und Pflugscharen von wem übernommen. Jesaja und Micha wirkten zur selben Zeit, im 8. Jahrhundert v. Chr. Da sie einander kennen mussten, wäre es sogar denkbar, dass der Abschnitt über die Völkerwallfahrt zum Berg Zion (Jesaja 2,1-5; Micha 4,1-5) ihr gemeinsames Werk war, das mit leichten Variationen in den Büchern beider Propheten weitergegeben wurde.
Heute wird Joel meist spät, im 4. vorchristlichen Jahrhundert, angesetzt. In diesem Fall würde Joel das Wort der früheren Propheten aufgegriffen und in sein Gegenteil verkehrt haben. Am Ende steht nicht der weltweite Frieden, sondern der aussichtslose Kampf der Völker gegen Gott. Die Völker werden aufgerufen, genau das Gegenteil von dem zu tun, was Gott durch die früheren Propheten angekündigt hat.
Bei einer konservativen Datierung Joels ins 9. Jahrhundert wäre die Situation gerade umgekehrt. Jesaja und Micha kannten die Worte Joels, sahen aber Gottes Plan des Friedens für die Welt. So haben sie die Worte Joels vom Schmieden der Schwerter aus Pflugscharen umgedreht. Die Völker, die sich unter Gott beugen und sich von ihm belehren lassen, leben aus Gottes Frieden und haben Frieden untereinander. Es gibt keinen Grund mehr, Waffen zu produzieren, sondern die Waffen werden zu sinnvollen Werkzeugen umgebaut.
Meines Erachtens passt das zweitgenannte Verständnis besser. Der ironische Aufruf an die Völker, alle ihre Kräfte gegen Gott zu mobilisieren, wird in eine Zukunftsschau umgewandelt, in der Gottes Friede bleibende Wirklichkeit ist. So hat das von Jesaja und Micha abgeänderte Wort Joels über die Schwerter und die Pflugscharen eine tiefere Dimension gewonnen.
Man kann die unterschiedlichen Worte der Propheten als eine Herausforderung betrachten. Es liegt an jedem einzelnen Menschen, was er will. Will er den Krieg gegen Gott und dabei untergehen und im ewigen Unglück verzweifeln oder nimmt er das Friedensangebot Gottes in Jesus Christus an? Jeder Mensch kann in Freiheit entscheiden, ob er Frieden oder Krieg will.
Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und Frieden den Nahen. (Epheser 2,17)