Die Rettung Abrahams aus dem Feuer

68 Sie sagten: „Verbrennt ihn und helft euren Göttern, wenn ihr etwas tun wollt.“ 69 Wir sagten: „O Feuer, sei Kühlung und Unversehrtheit für Ibrāhīm.“ 70 Sie wollten gegen ihn mit einer List vorgehen. Da machten Wir sie zu den größten Verlierern. (Sure 21,68-70)

97 Sie sagten: „Errichtet für ihn einen Bau und werft ihn in den Feuersbrand.“ 98 Sie wollten mit einer List gegen ihn vorgehen, doch da machten Wir sie zu den Unterlegenen. 99 Er sagte: „Gewiß, ich gehe zu meinem Herrn; Er wird mich rechtleiten.“ (Sure 37,97-98)

Nachdem Abraham die Götzen zerstört hatte, wurde er ins Feuer geworfen. Wieder einmal bezog „Allah“ seine Informationen dazu aus jüdischen Legenden.

Manche sagen, [den Vers:] die Treue des Herrn währt ewig, sagte Gabriél. Als nämlich der ruchlose Nimrod unseren Vater Abraham in den Schmelzofen warf, sprach Gabriél vor dem Heiligen, gepriesen sei er: Herr der Welt, ich will hinabsteigen, [den Schmelzofen] kühlen und diesen Frommen aus dem Schmelzofen retten. Da sprach der Heilige, gepriesen sei er, zu ihm: Ich bin einzig auf meiner Welt, und er ist einzig auf seiner Welt, es geziemt sich, daß der Einzige selber den Einzigen rette. (Pesachim 118a)

Eine etwas ausführlichere Version dieser Legende mit einer „Zusatzinformation“ über Abrahams Bruder Haran findet sich in Genesis Rabba 38,28.

Die Legende von der Rettung Abrahams aus dem Feuer muss in der Antike populär gewesen sein, da sie auch von christlichen Autoren übernommen wurde. Heinrich Speyer schreibt:1

Die Christen kennen diese Sage ebenfalls. Hieronymus (Quaest. in. Gen. 11,28 und Comm. in Jes. zu Cap. 65,8) kennt die Sage und verbindet damit sogar eine in den uns vorliegenden Midrāšīm nicht enthaltene Angabe, wonach Abrahams Lebensalter, das beim Wegzuge aus Chārān (Gen. 12,4) auf 75 Jahre gesetzt ist, nicht von seiner Geburt, sondern von seiner Errettung aus dem Feuerofen an, wo er gleichsam als neugeboren zu betrachten sei, gerechnet wurde.

Auch Augustinus kannte diese Gedanken:

Man hat die 75 Jahre Abrahams bei seinem Wegzug von Charra von dem Zeitpunkt an berechnet, da er aus dem Feuer der Chaldäer gerettet wurde, nicht von dem seiner Geburt an, ausgehend von der Annahme, er sei eigentlich damals geboren worden. (Augustinus, Über den Gottesstaat 16,15)

Im Kalender der syrischen Kirche war der 25. Jänner zum Gedächtnis an Abrahams Errettung aus dem Feuerofen bestimmt.2

Das zeigt, dass im syrisch-arabischen Raum die Rettung Abrahams aus dem Feuer bekannt war und somit auch der Autor des Korans darüber wissen konnte.

Im Hintergrund dieser Legende könnte die Erzählung über die Jünglinge im Feuerofen in Daniel 3 stehen, die auf Abraham übertragen wurde.

Vielleicht gibt es auch eine Verbindung mit der Mehrdeutigkeit des hebräischen Wortes אוּר / ′ur. Das Wort konnte einerseits als Ortsname „Ur“ verstanden werden, andererseits hieß dieses Wort im Hebräischen auch „Feuer“.

In Genesis 15,7 sagte Gott zu Abraham:

Ich bin der HERR, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben.

Wörtlich steht nicht: Ur in Chaldäa, sondern: Ur (der) Chaldäer. Wenn man ′ur nicht als Ortsname liest, konnte man den Vers so verstehen:

Ich bin der HERR, der dich aus dem Feuer der Chaldäer herausgeführt hat.

Diese Umdeutung könnte die Fantasie der Menschen beflügelt haben und zur Entstehung der Legende von der Errettung Abrahams aus dem Feuer geführt haben.

Wie immer es zu dieser Legende gekommen sein mag, der Autor des Korans hat sie für bare Münze genommen und sie als ewiges Wort des allwissenden Schöpfers ausgegeben.

Die Zeitgenossen Mohammeds hatten nicht unrecht, wenn sie sagten:

„(Es sind) Fabeln der Früheren, die er sich aufgeschrieben hat. So werden sie ihm morgens und abends vorgesagt.“ (Sure 25,5)


Denn wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. (2 Petrus 1,16)


  1. Heinrich Speyer, Die biblischen Erzählungen im Qoran, 3. Nachdruckauflage, Hildesheim 1988, S.143-144. 
  2. Speyer, S. 144. 

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