Russland im endzeitlichen Krieg?

1 Und das Wort des HERRN geschah zu mir so: 2 Menschensohn, richte dein Gesicht gegen Gog ⟨zum⟩ Land Magog, ⟨gegen⟩ den Fürsten von Rosch, Meschech und Tubal, und weissage über ihn 3 und sprich: So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich will an dich, Gog, Fürst von Rosch, Meschech und Tubal. (Ezechiel 38,1-3, Elberfelder)

Die Kapitel 38 und 39 im Buch Ezechiel sprechen von einem endzeitlichen Krieg heidnischer Völker, die von Gog aus dem Lande Magog angeführt werden, gegen das wieder im Land der Verheißung siedelnde Volk Israel. Gott wird die Feinde auf wunderbare Weise besiegen. Es ist kein Wunder, dass diese Kapitel zu den Lieblingskapiteln verschiedener Endzeitspezialisten gehören, die darin die letzten Schlachten der Endzeit angekündigt finden. Da seit dem Kommen Jesu das Volk Gottes keine staatliche Entität mehr darstellt, sondern aus Gläubigen aus allen Völkern besteht, denke ich, dass man diesen Kapiteln nur eine symbolische Bedeutung beimessen kann. Es geht um den Kampf der gottwidrigen Mächte gegen das Volk Gottes.

Das ist auch das Thema, wenn das Bild vom endzeitlichen Kampf mit Gog und Magog im Neuen Testament in Offenbarung 20,8 aufgegriffen wird, wo es um den Kampf der heidnischen Völker gegen „das Lager der Heiligen und Gottes geliebte Stadt“ geht. Hier geht es aber trotz des militärischen Bildes um eine geistliche Auseinandersetzung zwischen den Gläubigen und ihren Feinden aus allen Völkern.

Auch im Koran finden wir das Thema „Gog und Magog“. In Sure 18,83-99 wird es in fantasievoller Weise mit Überlieferungen aus dem antiken Alexanderroman verknüpft. Ḏū ʾl-Qarnain (der „Zweigehörnte“), wie die auf Alexander den Großen zurückgehende koranische Figur heißt, baute eine Mauer aus Eisen und Kupfer zur Abwehr dieser Feinde, die diese nicht überwinden können (Sure 18,94-97).

In diesem Text möchte ich mich auf eine Detailfrage aus Ezechiel 38 und 39 beschränken. In Ezechiel 38,2-3 und 39,1 wird Gog der Fürst von Rosch, Meschech und Tubal genannt. Für manche Endzeitexperten ist klar, dass mit Rosch aufgrund der Namensähnlichkeit nur Russland gemeint sein kann. In 38,6 und 39,2 ist von „äußersten Norden“ die Rede. Wenn man eine Linie von Israel nach Norden zieht, stößt man unweigerlich auf Russland. Damit sollte klar sein, dass es hier um die Russen geht.

In manchen Übersetzungen wie der Einheitsübersetzung sucht man freilich „Rosch“ vergeblich. Dort lautet 38,2 so:

Menschensohn, richte dein Gesicht auf Gog im Land Magog, auf den Großfürsten von Meschech und Tubal, tritt als Prophet gegen ihn auf.

Das Wort „Rosch“ kommt hier nicht vor. Dafür gibt es statt des Fürsten einen Großfürsten. Das hebräische Wort רֹאשׁ / rō′š bedeutet „Kopf, Haupt“. Im hebräischen Text kann man das Wort entweder in einer Reihe mit Meschech und Tubal als den Namen eines Volkes verstehen, oder man verbindet es mit dem Wort für „Fürst“. Dann ist von einem „Hauptfürsten“ oder „Großfürsten“ die Rede.

Für die Deutung auf einen Volksnamen spricht, dass bereits die vorchristliche Übersetzung ins Griechische, die Septuaginta, dieses Wort so verstanden hat. Dort ist von einem Fürsten von Ρως / Rōs die Rede. Die Vulgata hat es aber als „Haupt“ verstanden.

Die gemeinsam mit Rosch genannten Völker Meschech und Tubal kommen an einigen weiteren Stellen des Alten Testaments vor.

Genesis 10,2: Die Söhne Jafets sind Gomer, Magog, Madai, Jawan, Tubal, Meschech und Tiras.
1 Chronik 1,5: Die Söhne Jafets waren: Gomer, Magog, Madai, Jawan, Tubal, Meschech und Tiras.
Ezechiel 27,13: Jawan, Tubal und Meschech, sie waren deine Händler. Menschen und Kupfergeräte gaben sie für deine Handelswaren.
Ezechiel 32,26: Dort ist Meschech-Tubal und all sein Gefolge. Rings um ihn her sind ihre Gräber. Sie alle sind Unbeschnittene, mit dem Schwert Erschlagene; denn sie haben im Land der Lebenden ihren Schrecken verbreitet.

In Genesis und 1 Chronik geht es um Stammbäume. In Ezechiel 27 werden die Handelspartner der Stadt Tyrus aufgezählt. In Ezechiel 32 geht es um den Pharao, der in das Totenreich hinabfährt und dort die bereits Verstorbenen anderer mächtiger Völker vorfindet. An keiner dieser Stellen ist von einem Volk „Rosch“ die Rede.

Es gibt noch Jesaja 66,19, wo Tubal, aber nicht Meschech genannt wird:

Ich stelle bei ihnen ein Zeichen auf und schicke von ihnen einige, die entronnen sind, zu den Nationen: nach Tarschisch, Pul und Lud, die den Bogen spannen, nach Tubal und Jawan, zu den fernen Inseln, die noch keine Kunde von mir gehört und meine Herrlichkeit noch nicht gesehen haben. Sie sollen meine Herrlichkeit unter den Nationen verkünden.

Das Thema ist die Heidenmission. Auch unter den Leuten von Tubal soll die Herrlichkeit des Gottes Israels verkündet werden. Die Septuaginta hat statt denen „die den Bogen spannen“ Meschech im Text. Die Neovulgata und die englische NASB haben in Jesaja 66,19 auch Ros / Rosh, wobei mir unklar ist, aufgrund welcher antiken Textzeugnisse sie dazu gekommen sind.

Die genaue Zuordnung der Volksnamen Meschech und Tubal ist nicht völlig geklärt. Vermutlich hatten diese Völker im Bereich Kleinasiens / Anatoliens ihr Siedlungsgebiet.

Da ein Volk namens „Rosch“ sonst nicht vorkommt, legt sich die Übersetzung „Hauptfürst“ näher als „Fürst von Rosch“. Selbst wenn Ezechiel an einen Volksnamen gedacht hätte, würde das noch lange nicht bedeuten, dass damit Russland gemeint sei.

Aus dem „äußersten Norden“, woher Gott nach Ezechiel 39,2 Gog, den „Fürsten von Rosch“ heraufziehen lassen wird, kommen nach Ezechiel 38,6 auch andere Völker.

Gomer und all seine Truppen, Bet-Togarma, der äußerste Norden und all seine Truppen. Viele Völker sind mit dir.

Mit Gomer könnten die Kimmerer gemeint sein, die in Südrussland und im Kaukasus heimisch waren, Togarma wird von Flavius Josephus als der Stammvater der in Anatolien siedelnden Phryger betrachtet. Es handelte sich um Völker, die zur Zeit Ezechiels relativ weit weg in nördlicher Richtung siedelten.

All diese Völker (Meschech, Tubal, Gomer, Bet-Togarma) gibt es heute nicht mehr. Schon aus diesem Grund kann man nicht so einfach Schlachtpläne mit heute oder erst zukünftig existierenden Staaten erstellen. Mit viel Fantasie ist es natürlich möglich, diese Namen auf heutige Völker zu beziehen. Da die meisten von ihnen vermutlich im Raum der heutigen Türkei lebten, käme man auf die Türken, die diese Gegenden allerdings erst viel später erobert haben. In diesem Sinne käme man bei Gomer über die Kimmerer irgendwie doch auf die Russen.

In meinen Augen handelt es sich bei dieser Deutung um einen Missbrauch der Heiligen Schrift für Spekulationen, die von einer wichtigtuerischen Neugier geprägt sind. Der Kampf der Nationen gegen das Gottesvolk findet nicht auf dem Schlachtfeld statt. Es ist ein geistlicher Kampf gottloser Religionen und Philosophien gegen Gott und sein Volk. Dieser Kampf wird nicht mit Schwertern oder anderen Waffen geführt, sondern wir sind aufgerufen, die Waffenrüstung Gottes anzulegen.

10 Schließlich: Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! 11 Zieht an die Waffenrüstung Gottes, um den listigen Anschlägen des Teufels zu widerstehen! 12 Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen. 13 Darum legt die Waffenrüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils widerstehen, alles vollbringen und standhalten könnt! 14 Steht also da, eure Hüften umgürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit, 15 die Füße beschuht mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens. 16 Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. 17 Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes! 18 Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen. (Epheser 6,10-18)

Dieser Kampf wird bis zum zweiten Kommen des Herrn Jesus andauern. Er wird den endgültigen Sieg über alle Feinde Gottes erringen.

Sie werden mit dem Lamm Krieg führen, aber das Lamm wird sie besiegen. Denn es ist der Herr der Herren und der König der Könige. Bei ihm sind die Berufenen, Auserwählten und Treuen.
(Offenbarung 17,14)

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