Frömmigkeit als Gewerbe?

[…] diese Leute sind von der Wahrheit abgekommen und meinen, die Frömmigkeit sei ein Mittel, um irdischen Gewinn zu erzielen.
(aus 1 Timotheus 6,5)

In einer älteren Ausgabe der Lutherbibel (1956) heißt es:

[…] die da meinen, Frömmigkeit sei ein Gewerbe.

Im Griechischen steht πορισμός / porismós – „Erwerbsmittel“. Man könnte das so verstehen, dass für diese Leute die Verbreitung ihrer Lehren tatsächlich ein Beruf war, von dem sie lebten.

Doch waren die Menschen, mit denen es Paulus und Timotheus zu tun hatten, wohl noch nicht so weit, dass es ihnen in erster Linie um finanziellen Ertrag ging. Aber es muss in ihrem Handeln zumindest eine Motivvermischung gegeben haben, in der das Geld auch eine Rolle spielte.

In den Folgeversen schreibt Paulus dann über das „Erwerbsmittel“, das die Frömmigkeit ist.

6 Die Frömmigkeit bringt in der Tat reichen Gewinn, wenn man genügsam ist. 7 Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. 8 Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen. (1 Timotheus 6,6-8)

Paulus schreibt nicht ausdrücklich, was der reiche Gewinn (wörtlich: das große Erwerbsmittel) die Frömmigkeit ist. Das Geld hat er sicher nicht gemeint, da er zur Genügsamkeit mahnt und darauf hinweist, dass wir nichts aus der Welt mitnehmen können.

Die Frömmigkeit oder Gottesfurcht ist ein „Mittel“, etwas zu „erwerben“, was wir im Grunde gar nicht erwerben können. Vor Gott steht jeder Mensch in seinen Sünden armselig und hilfsbedürftig da. Es gibt nichts, das man vor ihm vorweisen kann, nichts, das man durch seine eigenen Taten erworben hätte. Es gibt nur das Geschenk seiner Gnade, der Erlösung, die er in Jesus geschenkt hat. Das ist der „Erwerb“, den er schenkt, wenn man sich seiner Sünden bewusst ist und sich in Demut von ihm beschenken lässt.

Im Hinblick auf den Schatz, den Gott schenkt, verlieren die materiellen Werte ihren Wert. Die Dankbarkeit für das Geschenk seiner Gnade verbindet sich mit Dankbarkeit für alle irdischen Dinge, die man erhält. Nahrung und Kleidung (wörtlich: Bedeckung, was auch ein Dach über dem Kopf meinen kann), d. h., die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse, genügen. Die materiellen Dinge sind Mittel zum Zweck, aber dürfen niemals der Lebensinhalt werden.

Wenn jemand meint, mit der Verkündigung des Evangeliums (oder dessen, was er dafür hält) Geld verdienen zu können, so hat er den Weg des Evangeliums verlassen.

Jesus hat seinen Jüngern geboten:

Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben. (Matthäus 10,8b)

Die Botschaft, die man selbst als Geschenk erhalten hat, kann man nur frei von materiellen Interessen weitergeben.

Im Laufe der Geschichte ist es leider immer wieder vorgekommen, dass das Christentum zu materiellem Gewinn missbraucht worden ist. So heißt es bereits in der Didache, einer Schrift, die vielleicht schon aus dem 1. Jahrhundert stammt, über Wanderprediger:

Wenn der Apostel weggeht, soll er nur Brot mitnehmen, bis er wieder einkehrt; wenn er aber Geld verlangt, ist er ein falscher Prophet. (Didache 11,6)

Auch wenn man das nicht 1:1 auf unsere Zeit übertragen kann, weil heute das praktische Leben viel mehr mit Geld verbunden ist als damals, kann man diesem Text entnehmen, dass ein Diener Gottes ein bescheidenes Leben führt. Es geht ihm nicht ums Geld, sondern um Gott und die Botschaft, die ihm Gott anvertraut hat.

Aber nicht jeder, der im Geiste redet, ist ein Prophet, sondern nur wenn er die Lebensweise des Herrn hat; an der Lebensweise erkennt man den falschen Propheten und den (rechten) Propheten. (Didache 11,8)
Wenn aber einer spricht im Geiste: Gib mir Geld oder sonst etwas, so höret nicht auf ihn! (Didache 11,12a)

Bei der Beurteilung zählt auf jeden Fall die Lehre, die jemand lehrt. Doch zeigt auch die Lebensführung eines Menschen, wie ernst es ihm mit Gott ist.

Will er es aber nicht so halten, so ist er einer, der mit seinem Christentum Geschäfte macht; hütet euch vor solchen. (Didache 12,5)

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