3 Wahrhaftig, der HERR stellt die Pracht Jakobs wieder her wie die Pracht Israels; denn Verwüster haben sie verwüstet und ihre jungen Reben vernichtet. 4 Rot leuchtet der Schild seiner Helden. Seine Krieger sind in Scharlach gekleidet. Wie funkelnder Stahl glänzen die Streitwagen am Tag, an dem er sie aufbietet, und die Pferde tänzeln unruhig. 5 Durch die Gassen rasen die Streitwagen, sie rammen sich gegenseitig auf den Plätzen. Ihr Anblick gleicht Fackeln, wie Blitze jagen sie daher. 6 Er denkt an seine Mächtigen; sie aber straucheln beim Ansturm. Sie eilen zur Stadtmauer, wo das Schutzdach bereitsteht. 7 Die Flusstore sind geöffnet, […] (Nahum 2,3-7)
Der Prophet Nahum verkündete im 7. Jahrhundert vor Christus die Zerstörung Ninives, der Hauptstadt der Assyrer, der Feinde Israels. In diesem Zusammenhang ist auch Kapitel 2 zu sehen.
Charles Taze Russell, der Gründer der Ernsten Bibelforscher, aus denen die Zeugen Jehovas hervorgingen, hatte eine sehr eigenwillige Interpretation dieser Verse. Im Jahr 1917 (nach seinem Tod 1916) erschien sein Buch „The Finished Mistery“. Dort heißt es:1
Nahum, der nächste der heiligen Propheten, weissagte, nach dem er am Schlusse des ersten Kapitels das Kommen des Königs mit seiner guten Botschaft des Friedens für die sündenbeladene Erde prophezeit hatte, von einer in weiter Ferne liegenden Erfindung, die um die Zeit, wann das Königreich errichtet ist, eine alltägliche Erfahrung für die Menschheit geworden ist. Er beschreibt einen Eisenbahnzug in voller Fahrt (nicht ein Automobil, wie einige glauben), und wenn wir uns die Mühe nehmen, uns an Stelle des Propheten zu versetzen, so können wir genau sehen, was er in seiner Vision sah, und was er auf so interessante Weise beschrieben hat. Zuerst steht der Prophet da und sieht die Lokomotive auf sich zukommen und sagt dann: „Die Schilde sind gerötet [das Ding, das diesem großen Helden vorausgeht – die Kopflaterne – scheint hell], die tapferen Männer [der Zugführer und der Heizer] sind in Karmesin gekleidet [wenn die Flammen des Kesselfeuers am Abend den Standplatz der Lokomotivführer erleuchten, indem der Heizer die Tür öffnet, um Kohlen auf das Feuer zu werfen]. Die Wagen [die Eisenbahnwaggons] glänzen von Stahl [ihnen voran fährt die Lokomotive, die zur Nachtzeit wie Stahl erglänzt] am Tage seines Rüstens.“
Dann versetzt der Prophet sich im Geiste in das Innere des Zuges und blickt zum Fenster hinaus, wobei sich ihm der Anblick bietet, daß „die Lanzen werden geschwungen [die Telegraphenpfosten längs der Gleise scheinen auf und ab zu tanzen.] Die Wagen rasen auf den Straßen [eine Eisenbahn ist nur eine kunstvoll hergestellte Straße oder Weg über Land], sie rasseln [Luthers Übersetzung – sehr bezeichnend für Eisenbahnzüge in voller Fahrt]. Ihr Aussehen ist wie Fackeln [ein Eisenbahnzug bei Nacht in voller Fahrt sieht wie eine sich schnell bewegende riesige Fackel aus], wie Blitze fahren sie dahin.“ Des Weiteren sieht der Prophet im Geiste den Schaffner, der die Fahrkarten einsammelt, und sagt: „Er gedenkt seiner Edlen [der Schaffner verwendet fast seine ganze Zeit darauf, seine Passagiere zu kontrollieren und über die Zahl der Passagiere Buch zu führen etc.]; sie straucheln auf ihren Wegen [versuchen, in einem schnell fahrenden Zug zu gehen]; sie eilen zu ihrer Mauer [zur nächsten Stadt oder Ortschaft], und das Schutzdach [der Bahnhof, die Station] wird aufgerichtet [der Gepäckmeister, Expreßmann, Postwagen, Hotelomnibus, neue Passagiere, die auf den Zug warten, und Freunde, die ankommende Passagiere abholen wollen, sie alle warten dort auf den einlaufenden Zug.] Die Tore an den Strömen sind geöffnet [die Türen der Bahnwagen werden geöffnet, und die Passagiere strömen heraus].“
Russells Nachfolger J. F. Rutherford baute auf dieser Erklärung auf und erwähnte sie 1921 in seinem Buch „Die Harfe Gottes“. Er schrieb:2
[…] Im Jahre 1831 wurde die erste Lokomotive erfunden. Seitdem ist in dieser Beziehung ein solch wunderbarer Fortschritt gemacht worden, daß man jetzt fast jeden Teil der Erde in schneller Fahrt mit einem Eisenbahnzug befahren kann. […]
Die oben erwähnten Erfindungen stehen in Verbindung mit dem „Tage des Rüstens Gottes“ während der Gegenwart Christi – Nahum 2 : 1–6.
Und:3
[…] Eisenbahnzüge sind weniger als hundert Jahre bekannt, und doch hat Gott durch seinen Propheten vorausgesagt, daß zur Zeit des Endes ein großes „Hin- und Herrennen“ sein werde. […]
Mir ist nicht bekannt, dass die heutigen Zeugen Jehovas ihren Gründervätern in der Erklärung von Nahum 2 folgen würden. Das fantasievolle Hineinlesen des im 19. Jahrhundert erfolgten technischen Fortschritts in einen alttestamentlichen Propheten dürfte der derzeitigen leitenden Körperschaft eher peinlich sein.
Diese von Russell und Rutherford vertretene Erklärung von Nahum 2 offenbart auf das Klarste einen offensichtlichen Mangel an geistlichem Verständnis biblischer Texte. Wie kann man einer von solchen Männern gegründeten Organisation sein Leben anvertrauen? Auch wenn der Irrtum in diesem Punkt nicht die zentralen Lehren der Bibel betrifft, zeigt er doch, dass das Gedankengebäude dieser Männer seinen Grund nicht in Gott, sondern in ihrer eigenen Fantasie hat. Wer die Wahrheit liebt, meidet die Wachtturmgesellschaft.
- Zitiert nach der deutschen Übersetzung „Das vollendete Geheimnis“, Magdeburg 1925, S. 117-118; Klammern wie im Original. ↩
- Zitiert nach J. F. Rutherford, Die Harfe Gottes, Magdeburg 1929, S. 219, Absatz 405-406. ↩
- Die Harfe Gottes, S. 15, Absatz 18. Der ausdrückliche Bezug auf Nahum findet sich nur in der englischen Ausgabe. ↩