Salomos Tod in der Bibel und im Koran

42 Die Zeit, in der Salomo in Jerusalem über ganz Israel König war, betrug vierzig Jahre. 43 Er entschlief zu seinen Vätern und wurde in der Stadt seines Vaters David begraben. Sein Sohn Rehabeam wurde König an seiner Stelle. (1 Könige 12,42-43)

30 Salomo war vierzig Jahre in Jerusalem König über ganz Israel. 31 Er entschlief zu seinen Vätern und man begrub ihn in der Stadt seines Vaters David. Sein Sohn Rehabeam wurde König an seiner Stelle.
(2 Chronik 9,30-31)

Die biblischen Texte erwähnen Salomos Tod nur kurz. So wie bei anderen Königen wird die Dauer seiner Regierungszeit genannt. Dann folgt noch die Nennung des Namens seines Nachfolgers am Königsthron.

Der Koran hat nach mehr als 1500 Jahren nach dem Tod des Königs mehr dazu zu sagen:

Und als Wir für ihn den Tod bestimmt hatten, wies sie auf sein Ableben nur das Tier der Erde hin, das seinen Stab fraß. Als er dann niederstürzte, wurde den Ğinn klar, daß sie, wenn sie das Verborgene gewußt, nicht (weiter) in der schmachvollen Strafe verweilt hätten. (Sure 34,14)

Der Tafsīr Al-Qur’ān Al-Karīm erklärt diese Stelle so:

Trotz der Huld, die Allāh (t) Salomo verlieh, war Salomo doch sterblich wie jeder andere Mensch. Nach obiger Geschichte starb Salomo (a.s.) auf seinem Thron, während er sich auf seinen Stab lehnte, und eine Zeitlang bemerkte niemand seinen Tod. Die Ǧinn, die für ihn Zwangsarbeit leisteten, setzten also die ihnen zugeteilten schweren Arbeiten fort. Im Laufe der Zeit zernagte jedoch eine Termite seinen Stab, und sein Körper, dem jetzt die Stütze fehlte, fiel zu Boden. Die Ǧinn bemerkten, dass ihr Anspruch, das Verborgene zu kennen, falsch war.

Über den Dienst, den die Dschinn Salomo leisten mussten, lesen wir in derselben Sure in den Versen 12 und 13:

12 Und Sulaimān (machten Wir) den Wind (dienstbar), dessen Morgenlauf einen Monat und dessen Abendlauf einen Monat beträgt. Und Wir ließen die Quelle des geschmolzenen Kupfers für ihn fließen. Und unter den Ğinn gab es manche, die mit der Erlaubnis seines Herrn vor ihm tätig waren. Wer von ihnen von Unserem Befehl abweicht, den lassen Wir von der Strafe der Feuerglut kosten. 13 Sie machten ihm, was er wollte, an Gebetsräumen, Bildwerken, Schüsseln wie Wasserbecken und feststehenden Kesseln. – „Verrichtet, ihr Sippe Dāwūds, eure Arbeit in Dankbarkeit“, denn (nur) wenige von Meinen Dienern sind wirklich dankbar.

In diesen Versen steht neben anderen fantastischen Dingen auch, dass Dschinn für Salomo tätig waren.

Über den Ursprung der Dschinn schreibt Sure 55,15:

Und Er hat die Ğinn aus einer unruhigen Feuerflamme erschaffen.

Andere Übersetzungen sprechen von einer „rauchlosen“ Feuerflamme.

Diese Wesen mussten für Salomo die Arbeit erledigen, die der Bibel zufolge von Menschen getan wurde.

27 König Salomo ließ Leute aus ganz Israel zum Frondienst ausheben. Dieser umfasste 30 000 Fronpflichtige. 28 Von ihnen schickte er abwechselnd jeden Monat 10 000 Mann auf den Libanon. Einen Monat waren sie auf dem Libanon und zwei Monate zu Hause. Adoniram leitete den Frondienst. 29 Ferner hatte Salomo 70 000 Lastträger und 80 000 Steinhauer im Gebirge, 30 abgesehen von den 3 300 Werkführern der Statthalter, denen die Leitung der Arbeit oblag. Sie führten die Aufsicht über die Arbeiter. 31 Der König ließ mächtige, kostbare Steine brechen, um mit Quadern das Fundament des Tempels zu legen. (1 Könige 5,27-31)

Über die Bautätigkeit Salomos am Tempel und an seinen Palästen berichten die Kapitel 6 und 7 des 1. Buchs der Könige. Da gab es auch keine „Quelle geschmolzenen Kupfers“, sondern:

Alle diese Geräte, die Hiram dem König Salomo für das Haus des HERRN anfertigte, waren aus glatter Bronze. 46 In der Jordanau zwischen Sukkot und Zaretan ließ sie der König in Formen aus festem Lehm gießen. 47 Und Salomo gab allen Geräten ihren Platz. Wegen ihrer überaus großen Menge war das Gewicht der Bronze nicht festzustellen. (1 Könige 7,45b-47)

Die Schwerarbeit wurde von Menschen gemacht, nicht von Dschinn. Vermutlich waren dem Autor dieser Sure jüdische Überlieferungen bekannt, denen zufolge Salomo Macht über Geistwesen hatte.

Im Hintergrund der koranischen Erzählung über den Tod Salomos könnte eine Stelle aus dem Talmud stehen. Heinrich Speyer1 verweist auf eine Stelle in Sanhedrin 20b:

Später herrschte er nur über seinen Stock, denn es heißt: das ist mein Teil von all meiner Mühe. (Kohelet 2,10)

Daraus könnte sich die in Sure 34,14 wiedergegebene Überlieferung entwickelt haben.
Bei dieser Überlieferung scheint der Autor wieder einmal auf ihm bekannte legendenhafte Überlieferungen zurückgegriffen haben. Nicht ohne Grund wurde Mohammed von seinen Zeitgenossen vorgeworfen:

„Das sind nur Fabeln der Früheren.“ (aus Sure 6,25)

Unabhängig von der Frage nach der Quelle dieser Darstellung stellt sich die Frage nach dem Sinn der Geschichte. Welche geistlichen Lehren kann man aus diesen mehr als 1500 Jahre nach dem Ereignis nachgereichten Informationen ziehen?

Ich finde keine andere Erklärung als die, dass es Menschen gab, denen die Darstellung der Bibel zu nüchtern war. Darum sollten nicht Menschen die Arbeit am Tempel und Salomos Palästen erledigt haben, sondern aus Feuer geschaffene Fabelwesen. Salomo konnte nicht einfach unspektakulär im Bett sterben. Da musste etwas Besonderes her. Nicht einmal die Dschinn haben seinen Tod bemerkt. Erst als sein Stab von einem Tier zernagt war, wurde bemerkt, dass er tot war. Hatte Salomo keine Diener um sich, denen aufgefallen wäre, dass er lange Zeit unbeweglich auf seinem Thron gesessen wäre? Diese Geschichte ist nicht nur Fantasie. Sie ist in sich extrem unglaubwürdige Fantasie. Das mag für eine unterhaltsame Geschichte am abendlichen Lagerfeuer gut genug sein. Doch sollte das wirklich Gottes ewiges Wort sein, das Gott nach mehr als 1500 Jahren endlich offenbaren musste, das die Bibel korrigieren und ergänzen sollte, damit die Welt auch diese Dinge erfährt?

15 Denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dich weise machen können zum Heil durch den Glauben an Christus Jesus. 16 Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, 17 damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk. (2 Timotheus 3,15-17)


  1. Heinrich Speyer, Die biblischen Erzählungen im Qoran, 3. Nachdruckauflage, Hildesheim 1988, S. 402. 

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